Seeteufel
wohltuend auf die
Seele wirkte. Wolf hingegen schien gegen solcherlei Anwandlungen gefeit. Er
hatte sich eine seiner gefürchteten filterlosen Gitanes angesteckt, die er
stets nur zur Hälfte rauchte, ganz so, als würde ihm selbst übel davon.
Die Ãberfahrt nach Wallhausen dauerte etwas mehr als
eine Viertelstunde. Während dieser Zeit war die drückende Schwüle wenigstens
halbwegs zu ertragen.
»Wo genau ist denn der Fundort der Leiche?«, brach Jo
schlieÃlich das Schweigen.
Einige Sekunden verstrichen, ehe Wolf antwortete.
»Etwa achthundert Meter oberhalb Wallhausen, in einem Buchenwäldchen unweit der
L219.«
»Und wie kommen wir dahin? Doch nicht zu Fu�« Jo
blickte skeptisch auf ihr wenig geländegängiges Schuhwerk.
»Keine Sorge, die Konstanzer Kollegen schicken einen
Wagen.«
»Onkel Lu hatte recht: Wieso kümmern eigentlich wir uns um den Fall â vorausgesetzt, es ist einer? Der
Fundort liegt auf Konstanzer Gebiet.«
Wolf warf seine Kippe in den See. »Der Tote heiÃt
Stanislaus Ploc, ein Pole, von Beruf Lastwagenfahrer. Wohnte auf unserer Seite
des Sees, in Ludwigshafen, deshalb hat man uns verständigt.«
»Gibt es einen Abschiedsbrief?«
»Keine Ahnung. Warten wirâs ab. Und ehe du mich weiter
löcherst: Auch ob die Leiche schon untersucht wurde, weià ich nicht.«
Minuten später legte die »Möwe« an, und sie stiegen in
den bereitstehenden Streifenwagen. Das letzte Wegstück durch den Wald hätte bei
empfindsamen Gemütern durchaus Kopfschmerzen oder gar Ãbelkeit auslösen können.
Das lag jedoch weniger am Zustand des Weges als an dem draufgängerischen
Fahrstil des Konstanzer Kollegen.
Endlich waren sie da. Das Areal war nicht abgesperrt,
niemand würde sich um diese Zeit dorthin verirren. Sie gingen das letzte Stück
zu FuÃ. Nach einer Weile passierten sie einen zweiten Wagen, vermutlich das
Dienstfahrzeug der Kripo Konstanz, und erreichten schlieÃlich eine kleine
Lichtung. Zwei Uniformierte waren gerade dabei, den Waldboden nach eventuellen
Spuren abzusuchen.
Ãber der am Boden liegenden leblosen Gestalt wölbte
sich die Krone einer mächtigen Buche. Von einem der Ãste baumelte noch das
Seil. Die Schlinge fehlte, man hatte den Toten einfach abgeschnitten. Es
handelte sich um einen etwa fünfzigjährigen, hager wirkenden Mann mit
Dreitagebart, bekleidet nur mit einer reichlich zerschlissenen Arbeitshose und
Turnschuhen. Sein stark behaarter Oberkörper war nackt. Neben ihm lag ein
ehemals gelbes T-Shirt, auf dem Jo mit Mühe die Aufschrift » HOHBAU « entziffern konnte. Deutlich zu erkennen dagegen
waren die rötlich violetten Strangulierungsmale am Hals des Toten. Eine Frau
beugte sich über den Leichnam, ihr weiÃer Overall und der Instrumentenkoffer
wiesen sie als Ãrztin aus. Sie nickte den Neuankömmlingen kurz zu und setzte
dann ihre Untersuchung fort. Ein umgestoÃener Campingstuhl, der etwa einen
Meter neben dem reglosen Körper lag, rundete das Bild ab.
Ein Kripobeamter in Zivil tauchte neben ihnen auf und
grüÃte. Wolf hob nur flüchtig die Hand, eine Reaktion, die Jo nicht fremd war.
Wahrscheinlich hadert er jetzt wieder mit seinem Namensgedächtnis, dachte sie.
Sie kannte seine Schwäche, Namen zu vergessen â ein Manko, das ihn zunehmend
belastete, wie er ihr einmal gestanden hatte.
Der Kollege hielt Wolf eine grüne Kunststoffbox hin.
Wie die beiden Uniformierten trug auch er die bei der Polizei üblichen weiÃen
Latexhandschuhe. »Da ist alles drin, was wir in den Taschen des Toten gefunden
haben: Ausweis, Führerschein, Schlüssel, EC -Karte,
eine kleinere Summe Bargeld, ein paar Fotos. Was man eben so bei sich trägt.
Ach ja, und dann noch das hier, eine Kunststoffschlaufe. Haben die Kollegen auf
dem Boden gefunden, unter dem Laub.«
Wolf nahm das Ding in die Hand und drehte es hin und
her. »Was ist das?«
»Wissen wir nicht. Kann sein, es hat gar nichts mit
dem hier zu tun.« Mit einer flüchtigen Handbewegung wies der Beamte auf den
Toten.
»Kein Abschiedsbrief?«, fragte Jo.
»Wie manâs nimmt. Diese Hülle hier war ebenfalls bei
seinen Sachen. Den Zettel, der drinsteckt, könnte man als solchen deuten.« Er
zog ein Papier heraus und entfaltete es.
Mit
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