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Segel der Zeit

Segel der Zeit

Titel: Segel der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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Seil. Bald würde
es vollends dunkel sein, und dann wäre er aufs Neue im Alptraum seiner Zelle gefangen.
    Â»Nach dem Ausfall entschlossen sich einige Mitglieder meiner Gruppe zum Handeln. Wir waren ohnehin alle auf der Suche nach dem Schlüssel, aber sie waren entschlossen, ihn nicht abzuliefern, falls sie ihn fänden. Wir werden ihn verwenden, sagten sie, um Virga aus seiner unerträglichen Rückständigkeit zu befreien.
    Ich war Spezialagentin für Meridian, die Einzige in unserer Gruppe, die Slipstream und seine Nachbarn kannte. Wer sonst sollte ausspionieren, wo sich der Schlüssel befand? So kamen sie – natürlich heimlich – zu mir und baten mich um Hilfe.
    Und ich Idiot lehnte ab.«
    Â»Warum?« Er hörte kaum seine eigene Stimme; die Wolke versperrte nicht nur die Sicht, sie schluckte auch alle Geräusche.
    Â»Ich traute den Motiven unserer Führung nicht. – Noch weniger als den Führern des Heimatschutzes selbst. Ich hätte gedacht … Nun, ich hätte nie geglaubt, dass wir jemals die Chance hätten, nach der Macht zu greifen, auf die diese Männer so versessen waren, und zunächst hatten sich ihre erklärten Absichten mit den meinen gedeckt. Woher sollte ich wissen, dass du einen legendären Schatz plündern, etwas vermeintlich für immer Verlorenes finden und die ganze Welt damit ins Chaos stürzen würdest?«
    Â»Wieso gibst du mir die Schuld?«, protestierte er. »Ich bin derjenige von uns beiden, der die Fesseln trägt.«
    Â»Sie haben meine Schwester. Chaison, du musst mir glauben, wenn es einen anderen Weg gäbe, würde ich
nicht so handeln! Aber wenn ich es nicht tue, töten sie sie.«
    Â»Was musst du tun?«
    Â»Ich muss dich dazu bringen, mir zu verraten, wo der Schlüssel zu Candesce ist«, antwortete sie.
    Â»Und wenn ich es dir nicht sage?«
    Â»Dann bringe ich dich zu ihnen.« Sie sah ihn nicht an. »Sie warten in Rush auf uns.«
    Chaison stieß einen langen Seufzer aus. Dann musste er unwillkürlich lachen. »Was hast du?«, fragte Antaea in gekränktem Ton.
    Â»Es scheint, als würde ganz Rush nur auf uns warten«, murmelte er.
    Â»Sag mir einfach, wo der Schlüssel ist«, verlangte sie. »Dann können wir in die Stadt fliegen. Ich kann dich in irgendeiner Kneipe absetzen; du kannst Darius und Richard suchen und dich mit ihnen über eure glückliche Rettung freuen … Und mich brauchst du niemals wiederzusehen.«
    Â»Du weißt, dass ich dir diesen Wunsch nicht erfüllen kann«, sagte er.
    Der Schlüssel befand sich natürlich in den Händen der unberechenbaren Venera Fanning, die ständig die Seiten wechselte. Und obwohl Chaison keine Ahnung hatte, wo er seine Frau suchen sollte, und obwohl sie niemand war, dem man den Schlüssel guten Gewissens anvertrauen konnte, brachte er es nicht über sich, sie zu verraten. Es kümmerte ihn nicht einmal, was sie gerade machte oder ob sie auf ihn gewartet hatte; die Vorstellung, dass sie von Antaeas Leuten gejagt würde, machte ihn wütend. Er würde ihnen nicht helfen, komme, was da wolle.

    Er lächelte Antaea grimmig an, dann schwiegen sie beide. Sie konnten nur warten.
    Â 
    Als die Nacht am kältesten war, entschied Antaea, dass die Luft rein sei. Sie entfaltete ihre Schwingen, schüttelte den Tau ab und trat dann unermüdlich in die Fußbügel, bis sie Chaison aus der Wolke heraus und in seine Erinnerungen hineingezogen hatte.
    Er kannte diesen Himmel, der bei aller Dunkelheit von Tausenden von Lampen und Laternen in den vielen Siedlungen, die sich in Rushs Nähe drängten, erhellt wurde. Jede dieser Siedlungen hatte ihre charakteristische Form und Färbung, und als kleiner Junge hatte Chaison sie alle gekannt. Sie waren die Sternbilder seiner Kindheit.
    Da unten in der Gemeinde Blanson hatte er sich als Achtzehnjähriger einen Jugendstreich erlaubt. Komisch: Antonin war an dem kleinen Diebstahl und dem Vandalismus beteiligt gewesen. Und da drüben war das kleine Rad Hatfall, wo Chaison kurzzeitig (und denkbar unbeholfen, wie er jetzt wusste) ein Mädchen umworben hatte. Ihre Eltern waren über die Aufmerksamkeit eines jungen Mannes aus so vornehmem Haus überglücklich gewesen. Aber der junge Chaison war alles andere als ein vollendeter Liebhaber.
    Bis er Venera begegnete.
    Alle paar Sekunden, bei jeder Pumpbewegung von Antaeas Flügeln,

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