Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Segel der Zeit

Segel der Zeit

Titel: Segel der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
Vom Netzwerk:
unter einer Decke aus dichtem Laub. Die langen Baumstämme erinnerten an Seile. Sie wuchsen Hunderte von Metern weit aus der Oberfläche des Asteroiden, bevor sie Äste, Zweige und Blätter trieben. Da Slipstreams Sonne sich in der Wartungsphase ihres Zyklus befand, fiel nur aus fernen Fenstern ein schwacher Lichtschein, und davon drang wenig durch das Laub. Die einfachste Lösung war, an einem der Stämme bis in die Baumkrone emporzuklettern, wo sie wenigstens etwas sehen konnte. Oben angelangt, hüpfte sie von einem Ast zum anderen zurück, bis sie den schwebenden Riesenstein erreichte.
    Vom Rand des Kraters aus konnte sie gerade noch den grünen Stachelpelz erkennen, mit dem sich der Tiefenschwärmer tarnte. Das Ungeheuer kauerte hinter einigen großen Felsblöcken, die sich im Gegenlicht schwarz abzeichneten. Zwischen den beleuchteten Hütten sah sie etliche von Gonlins Leuten. Die ließen den Schwärmer nicht aus den Augen, aber wenn sich nicht auch auf ihrer Seite ein Wächter im Dunkeln versteckte,
könnte sie sich wahrscheinlich unbemerkt anschleichen. Wobei sie es sich nicht leisten konnte, sich Zeit zu lassen; jede Minute mochte jemandem auffallen, dass sie ihre Verabredung mit Telen nicht eingehalten hatte. Hoffentlich würde man ihre Schwester dafür nicht büßen lassen.
    Sie glitt den dunklen Abhang hinunter und landete hinter den Blöcken. Von dort war es ein Leichtes, sich um die Felsen herum und unter den Körper des Schwärmers zu schieben. Der hatte überall am Körper Augen und bemerkte sie sofort. Antaea baute darauf, dass er noch wusste, wer sie war.
    Ein rascher Sprung an seine Flanke, dann war sie neben einer der Zugangsklappen. »Lass mich rein«, flüsterte sie. Ein paar atemlose Sekunden lang fürchtete sie, der Schwärmer würde nicht gehorchen, doch dann glitt die Klappe zur Seite. Aus dem Innern fiel rotes Licht, aber sie befand sich auf der von Gonlins Wächtern abgewandten Seite. Sie hörte keine Alarmrufe, als sie hineinkletterte.
    Die Klappe glitt hinter ihr zu. Antaea zwängte sich um eine schmale Biegung – im Innern dieser Wesen herrschte drangvolle Enge – und zog sich auf einen der beiden Kommandosessel im Cockpit.
    Man sprach von Kommandosesseln und von einem Cockpit, aber eigentlich hatte niemand das Kommando über einen Tiefenschwärmer. Die Wesen hatten ihren eigenen Willen, und die winzigen Kabinen glichen eher Schutzräumen für gelegentliche menschliche Passagiere. Es gab Bildschirme und Bedienfelder, aber im Moment waren sie alle dunkel; Antaea bezweifelte, dass sie sich so dicht an Candesce überhaupt einschalten ließen.
Wenn es stimmte, was man ihr über die Schwärmer erzählt hatte, dann konnten so nahe an der Ersten Sonne nur ihre pseudobiologischen Systeme aktiv sein. Selbst das rote Licht wurde vermutlich nicht elektrisch, sondern biochemisch erzeugt. Trotz alledem war das Gehirn sicherlich wach, und sie konnten sich ungestört unterhalten.
    Sie musste sich nur entscheiden, welche von ihren hundert Fragen sie zuerst stellen wollte.
    Â»Bist du der Schwärmer meiner Schwester?« Es war überraschend, in dieser toten Enge ihre eigene Stimme zu hören.
    Die Stimme, die ihr antwortete, erschütterte sie noch mehr – sie war laut und deutlich, gut zu verstehen, aber ohne jede Spur von Menschlichkeit. – Nicht etwa, weil der Schwärmer nicht fähig gewesen wäre, die menschliche Intonation zu imitieren, sondern weil seine Gefühle, falls er überhaupt welche hatte, sich nicht so weit verdichten ließen, dass sie mit der Sprache der Menschen zu fassen waren.
    Â»Ich wurde für die Dauer dieser Krise Telen Argyre zugeteilt«, sagte der Schwärmer.
    Â»Was tust du hier? Ich dachte, deinesgleichen bewacht nur Virgas Außenhaut?«
    Â»Ich verfolge einen Eindringling.«
    Â»Einen was ?«
    Â»Ein Wesen von außerhalb Virgas ist weit ins Innere vorgedrungen. Ich habe es bis in den Asteroiden Rush verfolgt und habe Anweisung, hier zu warten, bis Verstärkung eintrifft, oder bis es sich wieder in Bewegung setzt.«
    Â»Anweisung … von wem? Von Gonlin?«

    Â»Nein, vom Verteilten Konsens.« Antaea erinnerte sich. So hieß die für die Einsatzleitung der Schwärmer zuständige Organisation.
    Â»Sind Gonlins Leute – arbeitest du innerhalb dieses Asteroiden mit dem Heimatschutz zusammen?«
    Â»Nein. Ich

Weitere Kostenlose Bücher