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Segel der Zeit

Segel der Zeit

Titel: Segel der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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trat, hatte er Gewicht; um in den gleichen Genuss zu kommen, durften Chaison, Darius und Richard die zugige Oberseite des Wassertanks nicht verlassen.

    Der Aufwand lohnte sich. Als die Drehung schneller wurde und der Rotationswind sich zum Sturm steigerte, spürte Chaison zum ersten Mal seit Monaten, wie ihm Kopf und Schultern nach unten gezogen wurden. Er setzte sich auf den Tank. Nach ein paar Minuten hatte Antaea eine Geschwindigkeit erreicht, die für die Kette noch sicher war und etwas mehr als eine halbe Schwerkrafteinheit erzeugte. Oben im Haus würde der Farmer nun ausprobieren, ob ihn seine Beine noch trugen. Das musste auch Chaison tun. Er stand auf, ließ aber vorsichtshalber die Kette nicht los.
    Â»Au, das tut weh!« Auch die beiden anderen hatten sich aufgerappelt und verzogen das Gesicht. Als sich herausstellte, wie wenig das Training in Schwerelosigkeit genützt hatte, mussten sie lachen. Gewisse Muskeln, die zum Gehen unerlässlich waren, hatte Chaison mit all seinen Sprüngen zwischen den Zellenwänden und all seinen isometrischen Übungen nicht zu kräftigen vermocht. Nun konnte er sich kaum auf den Beinen halten.
    Richard litt am meisten. Er hatte das Training offenbar schon bald nach seiner Festnahme aufgegeben; er würde eine lange Eingewöhnungszeit brauchen, bis er sich bei Schwerkraft wieder sicher fühlte. Die Schwäche der Muskeln war nicht das einzige Problem. Schließlich suchten die Behörden auch nach drei Slipstreamern, die durch chronische Schwerelosigkeit verkrüppelt waren. Wenn sie ein bis zwei Wochen in einem Habitat verbringen könnten, wäre er hinterher wenigstens fähig, aufrecht zu stehen und geradeaus zu gehen; nur leider konnten sie kein Habitat aufsuchen,
bevor er wieder gehen konnte, und das wusste auch die Polizei. Wenn Richard sicher auf den Beinen stünde, bevor sie ein Habitat betraten, hätten sie – geringfügig – bessere Chancen, einer erneuten Verhaftung zu entgehen.
    Chaison schaute hinauf in den rasch vorbeirasenden Himmel. Er hatte keine Ahnung, in welcher Richtung er seine Heimat suchen sollte. Ihr Schicksal lag in den Händen einer Frau, die ihnen vollkommen fremd war. Nur halb bewusst begann er, Pläne zu schmieden – wie von selbst entstanden Entscheidungsbäume, als berechne er die nächsten Züge in einer Schachpartie. Angenommen, Antaea wäre ihr Feind? Angenommen, der Heimatschutz wäre ihr Freund? Könnte man irgendwo ein Schiff requirieren? Oder wäre es möglich, zu dritt an Antaeas kleinem Bike hängend bis nach Slipstream zu fliegen?
    Auch Darius betrachtete stirnrunzelnd den Himmel. Sie hatten sich im Kreis um die Kette herum angeordnet, und der Junge schien bereits seit Minuten nach einer klugen Bemerkung zu suchen. Endlich fragte er: »Und? Wann schütteln wir sie ab?«
    Chaison schaute zu dem Haus empor, das kopfüber am anderen Ende der Kette hing. »Ich bin nicht sicher, ob wir das überhaupt tun sollten«, antwortete er.
    Darius’ ungläubigen Blick quittierte er mit einem Achselzucken. »Ich weiß nicht, was sie vorhat, aber ich halte sie nicht für einen Feind. Sonst hätte sie sich nicht als Mitglied des Heimatschutzes zu erkennen gegeben. «
    Richard schnaubte verächtlich. »Glauben Sie etwa an das Geschwätz, sie hätte uns befreit?« Er bemühte sich
wacker, aufrecht zu stehen, ohne dass ihm die Knie einknickten.
    Â»Wenn nicht sie, wer dann?«, fragte Chaison. »Und was den Heimatschutz angeht – das kann sie nicht erfunden haben. Dafür weiß sie zu gut Bescheid. Dieser ›Ausfall‹ bezieht sich eindeutig auf unsere Abschaltung von Candesces Schutzschilden. Ich hätte nicht gedacht, dass das so leicht festzustellen wäre. Aber ich wäre auch nie auf die Idee gekommen, dass es außerhalb Virgas eine echte und akute Bedrohung geben könnte, die von diesen Schilden in Schach gehalten werden sollte. Wenn ich gewusst hätte …«
    Â»Auch wenn Sie es gewusst hätten, Ihre Frau hätte Sie trotzdem überredet«, behauptete Richard Reiss. Chaison sah ihn empört an, aber er musste ihm Recht geben. Venera hatte den Plan ausgeheckt, und sie konnte sehr überzeugend sein. Tatsächlich war sie nicht einmal vor einer kleinen Erpressung zurückgeschreckt, um Chaisons Einwilligung zu erhalten. Sie hatte ihm kaum eine Wahl gelassen.
    Die Erinnerung entlockte ihm ein

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