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Segel der Zeit

Segel der Zeit

Titel: Segel der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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auf dem Rad eintreffen würden. Richard und Darius würden die Gebäude mit niedriger Schwerkraft meiden und sich geradewegs zur Felge begeben. Die Polizei würde nicht damit rechnen, dass sie schon wieder gehen konnten.
    Chaison war nicht überrascht, dass Antaea ihn in ihrer Nähe haben wollte. Man hatte sie ganz offensichtlich auf ihn angesetzt; an den beiden anderen war sie nicht weiter interessiert. Vielleicht war das ein Versuch, ihn von seinen Freunden zu trennen, womöglich warteten
im Habitat bereits ihre Komplizen darauf, ihn zu entführen. Doch ihm blieb – vorerst – nichts anderes übrig, als ihr zu vertrauen.
    Eine Stunde später stolperte er die Stufen zu ihrer Suite hinauf. Die Flügel auf seinem Rücken waren zusammenklappt und erschienen ihm so schwer wie ein Sack voller Steine. Antaea trippelte munter vor ihm her, ihr war keinerlei Anstrengung anzumerken.
    Familienheim 617 war eine staatlich subventionierte Unterkunft für Ehepaare. Bei den Falken war es – wie in den meisten Nationen – gesetzlich verboten, jemanden abzuweisen, der eine Nacht bei Schwerkraft verbringen wollte. Deshalb waren alle Habitaträder auf Besucher eingerichtet. Allerdings war die kleine Suite nur sehr spärlich möbliert. Chaison schlurfte sofort ans Fenster und schaute hinaus. Sie waren weit oben, in einer Zone mit niedriger Schwerkraft; die Felge des Rades lag mehrere Hundert Meter unter ihnen. Dort entdeckte er ein graues Rechteck auf dem schmalen braunen Band der Felge, die große Herberge für Reisende, wo Darius und Richard angemeldet waren. Er fragte sich, ob sie es wohl dorthin geschafft hatten, ohne zusammenzubrechen.
    Â»Ooooh …« Er sank dankbar auf das einzige Bett und merkte erst, als er den Arm ausstreckte, wie schmal es war. Antaea verstaute die Engelsflügel. Sie stand breitbeinig und leicht schwankend vor dem Schrank. Er hatte sie bis jetzt noch nie bei Schwerkraft erlebt.
    Er wälzte sich auf die Seite und stemmte sich hoch. »Ich schlafe dann wohl auf dem Fußboden«, sagte er.
    Sie steckte mit dem Kopf tief im Schrank. »Was?«

    Chaison räusperte sich. »Ich sagte, ich schlafe dann wohl auf dem Fußboden.«
    Sie richtete sich auf und sah sich mit verschmitztem Lächeln nach ihm um. »Nein, das kommt nicht in Frage. Sie haben monatelang bei Schwerelosigkeit gelebt. Nach einer Nacht auf diesen Holzdielen wären Sie vom Rückgrat über die Rippen bis zu den Knien steif wie ein Stock. Gehen Sie ins Bett zurück.«
    Â»Nun ja. Es ist aber ziemlich schmal …«
    Antaea schnitt eine Grimasse. »Ich werde auf dem Fußboden schlafen.«
    Â»Sonst noch etwas?«
    Â»Irgendwann werden Sie an Ihrem Edelmut zugrunde gehen, Admiral.« Sie zog sich die Stiefel mit der gespaltenen Kappe von den Beinen.
    Chaison ließ sich von der Schwerkraft auf die Matratze drücken. »Was wollen Sie damit sagen?«, fragte er, aber er wollte eigentlich keine Antwort mehr hören. Endlich liegen zu können war überwältigend. Es dauerte keine Minute, dann war er eingeschlafen.
    Â 
    Antaea beobachtete den Admiral, bis sie sicher war, dass er fest schlief. Dann legte sie sich neben ihn und drehte ihm den Rücken zu. Sie zwang sich, langsam zu atmen und sich zu entspannen, obwohl Sorgen und Pläne, Szenarien und mögliche Katastrophen in ihrem Kopf einen verrückten Tanz aufführten. Dabei brauchte sie mindestens ebenso dringend Ruhe wie der Mann neben ihr. Sie schloss die Augen.
    Zehn Minuten später richtete sie sich mit einem leisen Fluch wieder auf, wälzte sich vom Bett und ließ sich in den einzigen Sessel fallen, der im Zimmer stand.
Dort saß sie lange regungslos und starrte die Wand an, ohne sie wahrzunehmen. Endlich schob sie zögernd die Hand unter ihr Wams und zog ein Medaillon hervor. Sie löste das Silberoval von seiner Kette und hielt es in einen Sonnenstrahl, der schräg durch das Fenster fiel.
    Dann klappte sie den Deckel auf. Ein Porträt kam zum Vorschein. Telen Argyre lächelte ihrer Schwester entgegen. Ihr klarer, offener Blick verriet viel über ihre Kindheit. Sie und Antaea waren in freier Luft groß geworden, ihre Eltern hatten sie ermuntert, möglichst viel zu lernen und möglichst oft auf Entdeckungsreisen zu gehen. So hatten sie Mut und Tapferkeit entwickelt und gemeinsam jede Gelegenheit beim Schopf ergriffen, die sich ihnen bot.
    Nach einer

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