Segel der Zeit
Unruhe sorgen?
Es gab so vieles, was er nicht wusste; fest stand jedoch, dass Kestrel jetzt sein Feind war. Der Gedanke verwirrte und bedrückte ihn. Daraus folgte nämlich, dass auch andere ehemalige Verbündete und Freunde in der Admiralität sich gegen ihn gewandt haben könnten.
Was bedeutete das für Venera? Immer vorausgesetzt, sie war wohlbehalten nach Hause zurückgekehrt â war sie jetzt die Frau eines allseits verabscheuten Verräters? Und wenn ja, wie würde sie darauf reagieren?
Chaison musste sich eingestehen, dass er keine Ahnung hatte, wie sie sich verhalten könnte.
Im Laufe der nächsten Stunden lieÃen die Einschläge und das Schmatzen nach. Im Innengarten lief das Wasser ab, und jemand war optimistisch genug, den Boden aufzuwischen. Allmählich legte sich auch das Rennen und Rufen. Ergezâ Leute beruhigten sich so weit, dass sie versuchten, etwas Schlaf zu finden. Chaison saà immer noch da und grübelte.
Endlich klopfte Darius leise an die Tür. »Alles klar«, murmelte er. Chaison schnallte sich die Schwingen an, nahm die Hüfttasche mit seiner ganzen Habe und folgte Darius in den Korridor hinaus.
Im Lampenschein sah er einen Jungen, der zwar immer noch dem Schiffsjungen der Krähe glich, aber nicht mehr ganz so verwildert wirkte, wie er aus dem Gefängnis gekommen war. Sein Gesicht begann sich ein wenig zu runden. Richard Reiss hatte seinen Vollbart zu einem zivilisierten grauen Saum gestutzt, der sein weinrotes Feuermal zum gröÃten Teil verdeckte. Der Mann und der Junge trugen solide, aber konservative Kleidung und hatten die gestohlenen Militärschwerter längst durch andere Waffen ersetzt â Richard trug einen schlichten Degen, Darius ein ordentliches Messer.
Wichtiger als Körperpflege oder Kleidung war freilich etwas anderes: Darius wie Richard wirkten ruhig und wach. Sie schienen bereit für alles, was ihnen bevorstehen mochte. Chaison lächelte, als er das sah.
»Welche Richtung?«, fragte er.
Darius zuckte bedauernd die Achseln und zeigte auf die Treppe zum Garten. »Der Türsteher schläft am
Dienstboteneingang und hat seine Arme um einen groÃen Sack gelegt, der sein gesamtes Hab und Gut enthält. « Wenn er grinste, erinnerte er wieder an ein Frettchen, genau wie unmittelbar nach seiner Befreiung. »Er hat wohl nicht allzu viel Hoffnung, dass ihr Rigger es schafft, Songly zusammenzuhalten.«
»Dann eben durch die Haupträume.« Chaison übernahm die Führung und schritt, vorbei an den geschlossenen Türen der Dienstbotenquartiere, zur Treppe. Die Gaslampen warfen über den unteren Teil einen scharf abgegrenzten Lichtschein in Form eines Sarges. Er stieg schnell die Stufen hinab, hielt aber inne, als er Stimmen hörte. Er bedeutete den anderen mit einer Handbewegung, zurückzubleiben, und schlich die nächsten Meter auf Zehenspitzen weiter, um rasch einen Blick in den Garten zu werfen.
Ergez und Antaea standen am Springbrunnen. Sie war heute ganz in Rot gekleidet, hatte die Arme vor ihrer Seidenbluse verschränkt, die Hüfte schräg gestellt und ein Bein etwas zur Seite gestreckt. Trotz des empfindlichen Bodens trug sie ihre Stiefel. Ergez stand halb im Schatten, er hatte die Hände in die Hüften gestützt und beugte sich nach vorne, um ihr in die Augen zu schauen.
»Du glaubst, das Auftauchen dieses verrückten Schwarzmarktgelds bestätigt in irgendeiner Weise deinen Standpunkt ?«, sagte er gerade.
»Nein, Hugo, es ist kein Beweis . Ich bin kein Fanatiker, der in jedem Schatten Gott sieht.« Antaea hörte sich an, als wollte sie sich verteidigen, und das war neu. »Es ist einfach eine Tatsache«, fuhr sie fort. »Du musst schon entschuldigen, wenn ich mich an Tatsachen halte!
Hugo, du kannst mir nicht einreden, dass eine Welt, in der Könige und Diktatoren Wissenschaftler und Denker versklaven können, es wert wäre, gerettet zu werden ! Du hast das Universum auÃerhalb Virgas gesehen; dagegen ist unsere Welt mehr als primitiv; sie ist barbarisch ! Wen will der Heimatschutz denn eigentlich schützen ? Die Bürokaten der Falkenformation? Den Piloten von Slipstream?«
Ergez brummte gereizt. »Wenn wir in die Politik gingen, wären wir genau wie sie â nur noch schlimmer. Unsere Macht â¦Â«
»Muss dem Volk gegeben werden.« Sie lieà die Forderung lange wirken, bevor sie weitersprach. »Du
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