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Segel der Zeit

Segel der Zeit

Titel: Segel der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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gewusst, warum.
    Die Leiter war zu Ende, und wenig später auch das Querseil. Er hing mit einer Hand an einer straffen senkrechten Leine und balancierte neben dem Knoten am Ende des Fußseils, als am anderen Ende vier Bullen mit gezückten Schwertern aus dem Nebel auftauchten. Zwei schickten sich an, leichtfüßig über das Fußseil zu tänzeln, die schwarzen Schwingen halb geöffnet, um im starken Wind das Gleichgewicht zu halten. Chaison trat gegen das Seil, aber es bewegte sich kaum. Um die Leine hinaufzuklettern, war er zu müde; vielleicht könnte er daran hinunterrutschen … aber jetzt waren auch unter ihm Rufe zu hören.
    Er holte tief Atem und wandte sich dem ersten Seiltänzer zu. Der Mann grinste und nahm Fechterhaltung ein. Die hintere Hand war nach oben gestreckt und umfasste das Handseil. So schob er sich langsam näher.
    Spiegelblanke Gebilde schossen wie Kanonenkugeln aus dem Nebel und zersprangen zwischen den Seilen zu Millionen von Tröpfchen. Chaison klammerte sich fest. Unter der jähen Wucht des Sturms hüpften und schwankten die Leinen.

7
    In den ersten Sekunden riss der Wol kenbruch noch zwei von Chaisons Verfolgern von der Leiter. Ein dritter versuchte vergeblich, hinunterzusteigen, doch als er von einer zweihundert Stundenkilometer schnellen Wasserkugel getroffen wurde, die größer war als er selbst, verschwand er, als wäre er nie dagewesen.
    Die Alarmsirenen des Habitats begannen zu heulen. Chaison schwang sich um die Leiter herum und starrte in die gierigen Wolkenwellen. Die Sicht hatte sich auf nahezu null verringert. Schatten tanzten durch das Grau und entpuppten sich schließlich als ein Schwarm leuchtend gelber Fische. Die Tiere waren auf der Flucht, sie schlugen wild mit ihren langen Flossen und rasten so schnell an ihm vorbei, dass er nur flüchtige Eindrücke gewann – ein Gitterschwanz, ein starres Auge, gespreizte Kiemen. Dann kündigte ein gewaltiges Schlingern in den Wolken die Ankunft der Regentropfen an.
    Sie prallten wie Raketen gegen das Habitat. Der Wind drehte sich, und der hundert Stundenkilometer schnelle Fahrtwind, der durch Songlys Rotation erzeugt wurde, steigerte sich rasch zum rasenden Orkan und schmetterte Regentropfen so groß wie Stühle, Tische – sogar wie Häuser – gegen die Holzwände und die Dächer des
Habitats. Chaison hörte ein Krachen in der Ferne, vielleicht war ein Hausdach zusammengebrochen, oder Straßenplanken hatten sich aufgewölbt. Sekunden später verwandelten sich die Tropfen in ein Angriffsheer bizarrer Gebilde. Die Kugeln wurden durch die unruhige Luft verformt, so dass einige aussahen wie amputierte Arme, andere wie nasse Spinnen, die einen Sprühnebel hinter sich herzogen. Sie teilten sich und vereinigten sich wieder, rempelten und drängelten aneinander vorbei, als könnten sie es nicht erwarten, das ohnehin nicht sehr stabile Habitatrad zu zertrümmern.
    Die Bespannung flog ihm unter den Füßen weg. Chaison trat von der Strickleiter und ließ sich fallen, bis er an einem wild peitschenden Seil vorbeikam. Er bekam es zu fassen und wurde in einem langgestreckten Bogen von dem rotierenden Rad weggetragen. Wenn er jetzt losließe, würde er eins mit dem Sturm. Wie aus Eimern ergoss sich das Wasser über ihn, bis er nichts mehr sah und nach Luft rang. Dann straffte sich das Seil, und er schwang mit einem harten Ruck schräg über Songlys Hauptstraße hinweg.
    Während die Gebäude vorüberrasten, hatte er nur einen Gedanken: Jetzt hat sich Maritin ganz umsonst bemüht. Maritin war Ergez’ Masseur, und er hatte nach jeder Trainingsrunde zwischen Darius, Chaison und Ergez’ Freunden alle Hände voll zu tun gehabt, um verschobene Gelenke einzurichten und verspannte Muskeln zu lockern. Nach einem längeren Aufenthalt im freien Fall neigte der Körper dazu, beim kleinsten Anlass aus allen Fugen zu geraten. Jetzt hatte er einen großen Anlass: Chaison war im Begriff, von oben auf den Markt zu prallen.

    Ein riesiger zitternder Regentropfen erreichte die Straße vor ihm. Harte Rechtecke, Planken und Nägel verschwanden in einer weißen Fontäne. Chaison öffnete seine Schwingen, bremste aber zu spät ab, krachte in den Wassertrichter, blieb für einen Moment darauf liegen und wurde dann sanft auf der Straße abgesetzt. Das schäumende Wasser lief zwischen den Planken ab. Er stand auf und torkelte in

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