Seherin von Kell
sein Gipfel überragte Tausende von Fuß alle anderen Gipfel der Umgebung. Eine absolute Ruhe schien ihn einzuhüllen, als brauchte er, da er alles erreicht hatte, was ein Berg nur erreichen konnte, lediglich zu sein.
»Das ist der höchste Berg der Welt«, sagte Zakath leise. »Die Gelehrten der Universität von Melcene haben seine Höhe geschätzt und sie mit jener der Gipfel des Westkontinents verglichen. Dieser Berg ist um tausend Fuß höher als der nächsthöchste Berg.«
»Bitte, Zakath«, sagte Silk mit gequälter Miene, »sag mir nicht, wie hoch.«
Zakath blickte ihn verwirrt an.
»Wie dir vielleicht aufgefallen ist, bin ich kein sehr groß gewachsener Mensch. Gewaltige Größe bedrückt mich. Ich gebe zu, daß dein Berg größer ist als ich. Aber ich möchte nicht wissen, um wieviel.«
Toth gestikulierte, und Durnik übersetzte.
»Er sagt, daß Kell im Schatten dieses Berges liegt.«
»Das ist aber nicht sehr genau«, gab Sadi zu bedenken. »Ich würde meinen, daß der halbe Kontinent im Schatten dieses Giganten liegt.«
Beldin kam wieder angebraust. »Groß, nicht wahr?« Er blickte blinzelnd auf den riesigen weißen Gipfel, der in den Himmel ragte.
»Ist uns auch aufgefallen«, brummte Belgarath. »Was liegt voraus?«
»Es geht ziemlich weit bergab – zumindest bis man zu den Hängen dieses Riesen gelangt.«
»Das kann ich auch von hier sehen.«
»Bewundernswert. Ich habe eine Stelle gefunden, wo wir deinen Grolim loswerden können. Mehrere sogar.«
»Loswerden? Wie meinst du das, Onkel?« fragte Polgara argwöhnisch.
»Der Weg hinunter führt da und dort dicht an abfallenden Steilwänden entlang«, erklärte er freundlich. »Wie leicht kann da ein Unfall passieren.«
»Kommt nicht in Frage. Ich habe seine Wunden nicht behandelt, nur damit er durchhält, bis du ihn in einen Abgrund werfen kannst.«
»Polgara, du behinderst die Ausübung meiner Religion!«
Sie zog eine Braue hoch.
»Ich dachte, du wüßtest es. Es ist eines der Gebote: ›Töte jeden Grolim, der dir über den Weg läuft‹.«
»Ich könnte mich vielleicht zu dieser Religion bekehren lassen«, warf Zakath ein.
»Bist du absolut sicher, daß du kein arendisches Blut in dir hast?«
fragte ihn Garion.
Beldin seufzte. »Wenn du unbedingt eine Spielverderberin sein mußt, Pol – nun, ich habe eine Gruppe Schafherden unterhalb der Schneegrenze gefunden.«
»Schafhirten oder Schäfer, Onkel«, verbesserte sie ihn.
»Was willst du eigentlich? Es bedeutet ja doch das gleiche.«
»Schäfer klingt hübscher.«
»Hübscher!« Er schnaubte. »Schafe sind dumm, sie riechen
schlecht und schmecken noch schlechter. Jeder, der sein Leben damit verbringt, sie zu hüten, ist entweder selbst dumm oder entar-tet.«
»Du bist aber heute gut in Form«, lobte ihn Belgarath.
»Es war ein großartiger Tag zum Fliegen«, erklärte Beldin mit brei-tem Grinsen. »Hast du eine Ahnung, wieviel warme Luft von Neuschnee aufsteigt, wenn die Sonne darauf scheint? Ich bin einmal so hoch geflogen, daß mir Punkte vor den Augen flimmerten.«
»Das ist leichtsinnig, Onkel«, rügte ihn Polgara. »Du solltest nie so hoch aufsteigen, daß du in dünne Luft kommst!«
»Gegen ein bißchen Leichtsinn hin und wieder ist doch nichts ein-zuwenden.« Er zuckte mit den Schultern. »Und das Erlebnis, aus dieser Höhe hinunterzutauchen, ist unglaublich. Komm doch mit, dann zeig ich es dir.«
»Wirst du nie erwachsen?«
»Ich bezweifle es, und ich hoffe sehr, daß ich es nie werde.« Er blickte Belgarath an. »Ich glaube, ihr solltet eine Meile bergab reiten und dann das Lager aufschlagen.«
»Es ist noch früh.«
»Nein, es ist schon spät. Die Nachmittagssonne ist sehr warm –
sogar hier oben. Der ganze Schnee wird weich. Ich habe bereits drei Lawinen gesehen. Wenn ihr die Lage hier nicht richtig einschätzt, könnte es sein, daß ihr viel schneller hinunterkommt, als ihr wollt.«
»Hm, das hat was für sich. Also, wir werden die Paßhöhe verlassen und uns für die Nacht einrichten.«
»Ich fliege schon mal voraus.« Beldin ging in die Hocke und spreizte die Arme. »Bist du sicher, daß du nicht mitkommen willst, Pol?«
»Wofür hältst du mich?«
Sein Kichern war in ihren Ohren, als er sich in die Lüfte schwang.
Sie errichteten ihr Lager auf einem Kamm. Dadurch waren sie zwar dem Wind ausgesetzt, aber nicht durch Lawinen gefährdet.
Garion schlief in dieser Nacht nicht sehr gut. Der Wind, der über den ungeschützten Kamm pfiff, ließ das
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