Seherin von Kell
Schild!«
Aber das war offenbar auch Cyradis aufgefallen. »Eure plötzliche Nachgiebigkeit ist erstaunlich, Zandramas«, sagte sie. »Mit allen Kräften habt Ihr Euch in den vergangenen Monaten bemüht, dieser Begegnung auszuweichen, und nun könnt Ihr es offenbar nicht erwarten, in die Grotte zu eilen. Was hat Euch so verändert? Lauert vielleicht eine unbekannte Gefahr in dieser Grotte? Wollt Ihr das Kind des Lichtes in den Tod locken, in der Hoffnung, dadurch der Notwendigkeit der Wahl zu entgehen?«
»Die Antwort auf Eure Frage, blinde Hexe, liegt wahrlich hinter jenem Portal«, erwiderte Zandramas barsch. Sie wandte ihr glitzerndes Gesicht Garion zu. »Gewiß ist der große Gottbezwinger ohne Furcht, oder sollte er, der Torak tötete, plötzlich Angst bekommen? Welche Gefahr könnte ich, die ich nur eine Frau bin, für den mächtigsten Krieger der Welt darstellen? Laßt uns diese Grotte gemeinsam erforschen. Vertrauensvoll lege ich meine Sicherheit in Eure Hände, Belgarion.«
»So darf es nicht sein, Zandramas«, erklärte die Seherin von Kell.
»Nun ist es zu spät für List und Trug. Nur die Wahl kann Euch noch befreien.« Sie hielt inne und neigte kurz den Kopf. Wieder vernahm Garion die Chorstimmen. »Ah«, sagte sie schließlich, »jetzt verstehen wir. Der Abschnitt im Buch des Himmels war unklar, doch nun ist er es nicht mehr.« Sie drehte sich zum Portal um. »Kommt hervor, Dämonenherrscher. Lauert nicht im Dunkeln auf Opfer, sondern kommt heraus, auf daß wir Euch sehen können.«
»Nein!« rief Zandramas heiser.
Aber es war zu spät. Widerstrebend, als würde er getrieben, hinkte der arg mitgenommene und halb verkrüppelte Drache brüllend und feuerspeiend aus der Grotte.
»Nicht noch einmal!« stöhnte Zakath.
Garion jedoch sah nun mehr als den Drachen. So, wie im verschneiten Wald vor Val Alorn Baraks Gestalt die des furchterregenden Bären überlagerte, der zu seiner Rettung geeilt war, sah er nun die Gestalt des Dämonenherrschers Mordja in der des Drachen.
Mordja, Erzfeind Nahaz', des Dämons, der den schreienden Urvon in die Hölle gezerrt hatte. Mordja, der mit einem halben Dutzend schlangengleicher Arme ein riesiges Schwert hielt – ein Schwert, das Garion nur allzu gut kannte. Der Dämonenherrscher kam in seinem Drachenkörper mit donnerndem Schritt herbei und schwang Cthrek Goru, Toraks grauenvolles Schattenschwert.
Die brennend roten Wolken spien Blitze, als das gräßliche Dop-pelungeheuer auf sie zukam. »Verteilt euch!« schrie Garion. »Silk, sag ihnen, was sie tun sollen.« Er holte tief Atem, als gewaltige Blitze in die Stufenpyramide schlugen, unmittelbar gefolgt von ohrenbetäubendem Donner. »Vorwärts!« rief Garion Zakath zu, während er Eisenfausts Schwert wieder zog. Doch dann blieb er verblüfft stehen. So ruhig, als überquere sie eine Wiese, näherte Poledra sich der furchterregenden Monstrosität.
»Dein Gebieter ist der Herr der Täuschung, Mordja«, sagte sie zu der plötzlich erstarrten Kreatur. »Aber nun ist die Zeit gekommen, alle Täuschung zu beenden. Du wirst die reine Wahrheit sagen.
Weshalb bist du hier? Was sucht deinesgleichen an diesem Ort?«
Der Dämonenherrscher, für den der Drachenkörper zum Gefäng-nis geworden war, grollte und geiferte vor Grimm über seine Hilflo-sigkeit.
»Sprich, Mordja!« befahl Poledra. Gab es wahrhaftig jemanden, der solche Macht besaß?
»Nein!« fauchte Mordja.
»Du wirst sprechen!« sagte Garions Großmutter mit bedrohlich ruhiger Stimme.
Da kreischte Mordja in unerträglicher Qual.
»Was tust du hier?« fragte Poledra unnachgiebig.
»Ich diene dem König der Hölle!« rief der Dämon.
»Und was will der König der Hölle hier?«
»Er will die Steine der Macht in seinen Besitz bringen«, heulte Mordja.
»Und warum?«
»Damit er die Ketten brechen kann, die Ketten, die der verfluchte UL ihm anlegte, lange ehe das alles erschaffen ward.«
»Weshalb hast du für das Kind der Finsternis gekämpft, und weshalb unterstützte dein Feind Nahaz, den Jünger Toraks? Wußte dein Gebieter denn nicht, daß jeder von ihnen versuchte, einen Gott zu erheben? Einen Gott, der ihn noch fester ketten würde?«
»Was sie versuchten, war ohne Bedeutung«, knurrte Mordja. »Nahaz und ich kämpften in der Tat gegeneinander, doch nicht um des Wahnsinnigen Urvon oder der Schlampe Zandramas willen. In dem Augenblick, da er oder sie den Sardion erlangte, würde der König der Hölle mit meinen Händen – oder den Händen Nahaz'
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