Seherin von Kell
Schwerthieb am Nacken spürte er nicht.
Mordja dagegen brüllte vor Qualen, als ihn die Kraft des Auges ver-sengte. Das war ihr Vorteil. Sich selbst überlassen, vermochte der Drache ihren vielfachen Angriff nicht abzuwehren. Die zusätzliche Intelligenz des Dämonenherrschers erst machte ihn in dieser Situation so gefährlich. Garion wußte aus Erfahrung, daß das Aldursauge einem Dämon unerträgliche Schmerzen zufügen konnte. In dieser Hinsicht verfügte es sogar über mehr Kraft als ein Gott. Dämonen flohen vor Göttern, doch vor der Züchtigung durch das Aldursauge gab es keine Flucht. »Heißer!« befahl er dem Stein, als er die Klinge wieder hob. Immer wieder schlug er zu. Die mächtige Klinge prallte jetzt nicht mehr von den Schuppen des Drachens ab, sondern fraß sich glühend durch sie hindurch ins Fleisch. Der im Innern für ihn vage sichtbare Mordja schrie gellend, als das Schwert in seinen Nak-ken drang. Mitten in einem Hieb faßte Garion das Schwert an der Parierstange und stieß es zwischen die mächtigen Schultern.
Mordja schrie.
Garion zerrte das Schwert vor und zurück und riß die Wunde weiter auf.
Das spürte sogar der Drache. Er brüllte.
Garion hob das Schwert erneut und stieß es wieder in die blutende Wunde, tiefer diesmal.
Der Drache und Mordja schrien wie mit einer Stimme.
Merkwürdigerweise erinnerte Garion sich plötzlich an seine Kindheit, als er dem alten Cralto zugesehen hatte, wie er Löcher für Zaunpfähle aushob. Unbewußt ahmte er des Bauernknechts rhyth-mische Bewegungen nach, hob das Schwert über den Kopf, wie Cralto damals seine Schaufel, und trieb die Klinge in das Drachen-fleisch. Mit jedem Stoß wurde die Wunde tiefer, und Blut quoll und spritzte aus dem zuckenden Fleisch. Flüchtig sah er das Weiß von Knochen und änderte die Richtung seiner Stöße. Nicht einmal Eisenfausts Schwert könnte diese baumstammdicke Wirbelsäule durch trennen.
Verblüfft von der offensichtlichen Wahnsinnstat des rivanischen Königs waren seine Freunde zurückgewichen. Nun sahen sie, wie der Drache den schlangenähnlichen Kopf hoch in die Luft warf und verzweifelt versuchte, den Hals so zu drehen, daß er des Peinigers habhaft wurde, der ein großes Loch zwischen seine Schultern grub.
Da setzten sie ihren Angriff fort, schlugen und stachen auf die wei-cheren Schuppen an Kehle, Bauch und den Flanken des Drachens ein. Silk, Sammet und Sadi gingen gegen die ungeschützte Unterseite des sich krümmenden Drachen vor. Durnik brach mit seinem Hammer methodisch Rippe um Rippe, während Toth nicht weniger methodisch auf die andere Seite einhackte. Belgarath und Poledra, nunmehr in Wolfsgestalt, stießen ihre Fänge immer wieder in den peitschenden Schwanz.
Dann sah Garion, was er gesucht hatte – die trossendicke Sehne, die zu einem der riesigen Flügel hinunter verlief. »Noch heißer!«
brüllte er dem Aldursauge zu.
Das Schwert flammte greller, doch diesmal schlug Garion nicht zu, statt dessen setzte er die Schneide an der Sehne an und begann damit zu sägen. Er schnitt aber nicht, sondern brannte einen Weg durch die zähe Flechse. Endlich riß sie, und die Enden glitten wie Schlangen zurück in das blutende Fleisch.
Das Schmerzgebrüll aus dem feuerspeienden Rachen war ohrenbetäubend. Der Drache wankte, dann fiel er, und seine riesigen Gliedmaßen schlugen in unvorstellbaren Qualen um sich.
Als der Drache stürzte, flog Garion in hohem Bogen von seinen Schultern. Verzweifelt rollte er sich herum und versuchte den Klauen zu entgehen. Zakath eilte zu ihm und riß ihn auf die Füße. »Du bist wahnsinnig, Garion!« schrie er schrill. »Hast du dich verletzt?«
»Nein«, erwiderte Garion gepreßt. »Wir müssen es zu Ende bringen.«
Toth war jedoch schon da. Er stand mit gespreizten Beinen direkt im Schatten des riesigen Drachenschädels und hieb auf die Kehle des Untiers ein. Schwalle von Blut spritzten aus den durchtrennten Schlagadern, während der stumme Hüne die Luftröhre durchzu-hacken versuchte, die so dick wie ein Faß war. Die ganzen Anstrengungen Garions und seiner Freunde hatten bis jetzt nicht mehr als Pein verursacht, während Toths entschlossener Angriff das Leben des Drachen bedrohte. Wenn es ihm gelang, die Luftröhre zu durch-trennen, würde das Ungeheuer sterben. Der Drache kämpfte sich auf seine Vorderbeine und richtete sich hoch über den Hünen auf.
»Toth!« brüllte Durnik. »Schnell zurück! Er wird nach dir schnap-pen!«
Aber es waren nicht die scharfen
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