Seherin von Kell
richtigen Zuhause.
Polgara hielt Geran, sie schmiegte die Wange an seine Locken und hatte einen Zug verträumter Zufriedenheit um den Mund. »Ich übe nur«, sagte sie leise zu Ce'Nedra.
»Unmöglich, daß Ihr so was je verlernen könntet, Tante Pol«, sagte die rivanische Königin. »Ihr habt Hunderte kleiner Knaben aufge-zogen.«
»Nun, so viele wohl nicht, Liebes, aber es kann nie schaden, in Übung zu bleiben.«
Der Wolf schlief vor dem Feuer. Er gab jedoch hin und wieder jau-lende Laute von sich, und seine Pfoten zuckten.
Durnik lächelte. »Er träumt«, stellte er fest.
»Das würde mich gar nicht wundern«, sagte Garion. »Auf dem Rückweg von Großvaters Turm hat er ständig Hasen gejagt. Erwischt hat er allerdings keine. Aber ich glaube, er wollte es gar nicht wirklich.«
»Weil wir vom Träumen sprechen«, sagte Tante Pol und stand auf.
»Ihr wollt ja morgen schon früh aufbrechen. Da gehen wir wohl jetzt besser zu Bett.«
Sie standen im ersten Tageslicht auf, aßen ein herzhaftes Früh-stück, dann gingen Garion und Durnik hinaus, um die Pferde zu satteln.
Sie machten kein großes Getue mit dem Abschiednehmen, das war auch nicht nötig, denn diese vier würden nie wirklich getrennt sein.
Es gab ein paar kurze Worte, ein paar Küsse und einen festen Hän-dedruck zwischen Durnik und Garion, dann ritten der rivanische König und seine Familie den Hügel hinauf.
In halber Höhe drehte sich Ce'Nedra im Sattel um. »Tante Pol«, rief sie und duzte sie zum erstenmal, »ich liebe dich!«
»Ja, Liebes«, rief Polgara zurück, »ich weiß. Ich liebe dich auch.«
Und dann ritten sie dem eigenen Zuhause entgegen.
Epilog
Es war Herbst. Der Alornische Rat hatte im Spätsommer in Riva getagt, und es war ausgelassen, ja übermütig zugegangen. Viele waren gekommen, die normalerweise nicht teilnahmen. Herrscher mit ihren Gemahlinnen von außerhalb Aloriens waren in sogar noch größerer Zahl anwesend als alornische Monarchen. Hochgeborene Damen aus dem ganzen Westen hatten Ce'Nedra und Polgara mit Glückwünschen überschüttet, und kleine Kinder, von seinem sonni-gen Gemüt angezogen, wichen kaum noch von Geran – zum Teil mochte es auch daran liegen, daß der Junge den seit langem unbe-nutzten Gang zur königlichen Kuchenbäckerei mit all ihren Köst-lichkeiten entdeckt hatte. Wenn man der Wahrheit die Ehre geben wollte, mußte man eingestehen, daß es bei der diesjährigen Sitzung nicht sehr viel um Staatsgeschäfte ging. Und dann meldeten sich wie immer die Spätsommerstürme an, die zur Beendigung der Tagung rieten und die Besucher mahnten, an den Aufbruch zu denken. Das war immer der Vorteil an der Ratssitzung in Riva gewesen. Selbst wenn die Gäste gern noch geblieben wären, überzeugte der stetige Vormarsch der Jahreszeit, daß es ratsam war, die Insel zu verlassen.
In Riva kehrte man allmählich wieder zum normalen Tagesablauf zurück. Die Rückkehr des Königspaars mit Prinz Geran war stürmisch gefeiert worden, doch selbst das freudigste Volk konnte nicht ewig feiern, und so war das Leben nach ein paar Wochen in seinen alten Trott zurückgekehrt.
Garion verbrachte fast jeden Tag mit Kail, der notgedrungen, während des Monarchen Abwesenheit, viele Entscheidungen hatte treffen müssen. Obwohl Garion nahezu ausnahmslos die Handlungs-weise Kails billigte, mußte er doch davon unterrichtet werden, und einige der Entscheidungen harrten auch noch der Ratifizierung durch die königliche Unterschrift.
Ce'Nedras Schwangerschaft verlief normal. Der Leibesumfang der zierlichen Königin wuchs ebenso wie ihre Ungeduld und Reizbarkeit. Der seltsame Appetit auf ungewöhnliche Nahrungsmittel, der manche Damen guter Hoffnung befällt, bereitete der rivanischen Königin nicht halb soviel Spaß wie den meisten anderen Damen in ihrem Zustand. In der männlichen Hälfte der Bevölkerung schwelte schon lange der Verdacht, daß diese eigenartigen feinschmeckeri-schen Gelüste im Grund genommen für ihre Ehehälften nichts weiter sind als eine merkwürdige Form der Unterhaltung. Je exotischer und schwieriger zu beschaffen eine bestimmte eingebildete Delika-tesse ist, und je mehr ein liebender Ehemann sich anstrengen muß, sie zu besorgen, desto hartnäckiger besteht seine Gemahlin darauf, daß sie nicht mehr leben könnte, wenn sie ihr nicht im Überfluß zur Verfügung stünde. Garion nahm insgeheim an, daß das Ganze nicht viel mehr war als der Wunsch nach Bestätigung. Wenn ein Gemahl bereit war, die ganze
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