Seherin von Kell
sie noch nie zuvor erlebt. Sie wurde regelrecht heftig und einige ihrer Worte, obgleich archaisch, waren nicht sehr schmeichelhaft. Manche mußte ich sogar nachschlagen, um ihren Sinn zu ergründen.«
»Das hat sie gut gemacht!« lobte Ce'Nedra. Garion las weiter.
» Um den Frieden zwischen uns wiederherzustellen, ließ ich mich vor ihr auf die Knie fallen und wiederholte den Antrag, doch nun mit geradezu törichten Worten und einem peinlichen Gefühlserguß, aber erstaunlicherweise rührte sie das, und sie ließ sich herab, meinen Antrag anzunehmen.«
»Männer!« schnaubte Ce'Nedra.
»Die Kosten für die Hochzeit brachten mich fast an den Ruin. Ich mußte sogar Geld von einem von Kheldars Geschäftspartnern borgen – zu unverschämten Zinsen! Natürlich hat Eriond uns getraut, und daß ein Gott die Zeremonie durchführte, hat mein Schicksal unwiderruflich besiegelt. Cyradis und ich haben jedenfalls letzten Monat geheiratet, und ich muß ehrlich zugeben, daß ich in meinem ganzen leben noch nie so glücklich war.«
»Oh«, rief Ce'Nedra mit diesem wohlvertrauten Stocken in ihrer Stimme, »das ist wundervoll!« Hastig kramte sie nach einem Taschentuch.
»Der Brief ist noch nicht zu Ende!« sagte Garion.
»Dann lies doch weiter.«
Sie tupfte sich die Augen.
»Den angarakanischen Malloreanern gefiel es nicht sehr, daß ich eine Dalaserin zu meiner Gemahlin gemacht habe, aber sie sind klug genug, ihren Unmut darüber für sich zu behalten. Ich habe mich ja sehr geändert, aber so sehr auch wieder nicht. Cyradis hat einige Schwierigkeiten, sich an ihren neuen Stand zu gewöhnen, und es will mir einfach nicht gelingen, sie zu überzeugen, daß Geschmeide für eine Kaiserin unabdingbar ist. Statt Gold und Edelsteinen trägt sie Blumen, und der sklavische Nachahmungs-trieb der Hofdamen hat in den Kreisen der Goldschmiede hier in Mal Zeth bereits zur Verzweiflung geführt.
Ich hatte eigentlich beabsichtigt, meinen entfernten Vetter, den Erzherzog Otrath, um einen Kopf kürzer machen zu lassen, aber er ist ein so mit-leiderregender Dummkopf, daß ich diese Absicht aufgab und ihn statt dessen nach Hause schickte. Dann erinnerte ich mich an eine Bemerkung, die Beldin in Dal Perivor machte, und befahl dem Kretin, seiner Gemahlin einen Palast in Melcene einzurichten und sich nie wieder in ihre Nähe zu begeben. Ich habe gehört, daß die Dame in Melcene etwas skandalumwittert ist, aber irgendeine Entschädigung hat sie sich wohl verdient, daß sie es mit diesem Esel so lange hatte aushalten müssen.
Und das ist alles, was mir momentan einfällt, Garion. Wir sehnen uns sehr nach Neuigkeiten über alle unsere Freunde und lassen sie alle grüßen.
Herzlichst Zakath und Kaiserin Cyradis P.S. Ihr seht, daß ich diesen prahlerischen Titel aufgebe. Übrigens, meine Katze ist mir vor ein paar Monaten wieder untreu geworden. Möchte Ce'Nedra eines ihrer Jungen?
Oder vielleicht hättet Ihr gern eines für Eure neue Tochter? Ich kann Euch zwei schicken, wenn Ihr wollt.«
Z
Schon ab Winteranfang dieses Jahres wurde die rivanische Königin zusehends unleidlicher. Ihre Unzufriedenheit und Gereiztheit nahm in fast gleichem Maß zu wie ihr Umfang. Manche Frauen sind für die Schwangerschaft wie geschaffen; die rivanische Königin war es ganz sicher nicht. Sie war schnippisch zu ihrem Gemahl, ungehalten mit ihrem Sohn, und einmal versuchte sie sogar schwerfällig nach dem jungen Wolf zu treten, der sich keineswegs etwas hatte zu-schulden kommen lassen. Der Wolf wich dem Fußtritt geschickt aus, dann blickte er Garion verwirrt an. »Habe ich unwissentlich etwas falsch gemacht?« fragte er.
»Nein«, beruhigte ihn Garion. »Meine Gefährtin ist nur sehr ungeduldig. Die Geburt steht bevor, da fühlen die Weibchen der Menschenwesen sich nicht sehr wohl und werden unleidig.«
»Ah«, entgegnete der Wolf. »Die Menschenwesen sind sehr merkwürdig.«
»Wahrlich«, bestätigte Garion.
Es war selbstverständlich Greldik, der Poledra während eines hef-tigen Schneesturms zur Insel der Stürme brachte.
»Wie hast du bei diesem Wetter überhaupt hierhergefunden?«
fragte Garion den Seemann in Pelzkleidung, als sie mit Bierkrügen in der Hand vor dem Feuer in dem niedrigen Eßgemach saßen.
»Belgaraths Gemahlin hat uns den Weg gewiesen.« Greldik zuckte mit den Schultern. »Sie ist eine erstaunliche Frau, weißt du?«
»O ja.«
»Kannst du dir vorstellen, daß nicht einer meiner Besatzung während der ganzen Fahrt auch nur
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