Sehnsucht FC Bayern
aufzusuchen. Dort, in einer kleinen Seitenstraße neben der protzigen Karstadt-Filiale, hielt man neben dem selbstproduzierten Bayern-Logo immerhin noch FCB-Schlüsselanhänger und ähnlichen Kleinkram bereit. Und das ganzjährig, denn im Gegensatz dazu fand sich nämlich auf dem Kölner Weihnachtsmarkt auf dem Neumarkt sogar eine Bude, die darüber hinaus Schweißbänder und Mützen ausgewählter Vereine anbot. Der Besuch war stets ein Muss. Mein Wunsch nach Fanartikeln ging sogar so weit, dass ich mir schließlich eine eigene Bayern-Fahne malte. Im Umgang mit den Pelikan-Wasserfarben war ich dabei derart auf jeden einzelnen Buchstaben konzentriert, dass ich den Blick fürs Ganze völlig verlor und mit »FC BAYERN MÜCHEN« prompt das mittlere »N« übersah. Meine Eltern würdigten das künstlerisch anspruchslose Werk mit einem milden Lächeln. Erst dann fiel auch mir der Fehler auf.
Was ich mit diesen Schilderungen beschreiben möchte, ist mein altmodisch-gestörtes Verhältnis zu den Konsumzwergen unter den heutigen Bayern-Fans. Wenn mittlerweile die Preislage einer unüberschaubaren Menge an Fanartikeln ausnahmslos bei allen Vereinen nicht gerade niedrig ist, verwundert es mich immer wieder aufs Neue, wie viele Kids in Vollausstattung und saisonal-aktuell herumlaufen. Natürlich »sponsored by Daddy«.
Ich habe natürlich leicht reden. Als kinderloser Bayern-Fan sah ich mich bisher noch nie der Situation ausgesetzt, gegenüber einer quengelnden Brut, die ihrem Wunsch nach dem neuesten Trikot mit Geschrei und Bockigkeit Nachdruck verleiht, standhaft bleiben zu müssen. Je länger und ehrlicher ich darüber nachdenke, umso mehr fürchte ich, dass auch ich dabei schwach werden und nachgeben würde. Und das nicht nur meiner Nerven wegen. Will ich denn wirklich schuld daran sein, dass mein Sohn plötzlich im BVB-Trikot (weiß Gott, wo er es dann her hat) vor mir steht und seinem Fantum plötzlich eine völlig neue Richtung verleiht? Da investiere ich doch lieber ein paar Euro mehr und halte ihn auf dem richtigen Pfad! Soll doch der erzieherische Wert von Verzicht und Entbehrung meinem Kind verdammt noch mal in anderen Alltagssituationen beigebracht werden. Da würde mir bestimmt noch was einfallen. Hier jedoch gehe ich lieber keine Experimente ein. Wenn mein Sohn überhaupt vor der Entscheidung »Lieblingsverein« stände, würde ich nichts dem Zufall überlassen. Wahrscheinlich würde ich ihm die Video-Aufzeichnung eines grandiosen Bayern-Spiels als Fernseh-Live-Übertragung verkaufen und ihn mit aufmunternd-geheuchelter Spannung (»Heute Abend kommt’s drauf an!«) generös zum gemeinsamen Fernsehabend einladen. Natürlich gewinnen wir. Der Plan scheint mir gut. Hoffentlich greife ich im missionarischen Übereifer zu keiner Aufzeichnung mit Ernst Huberty …
Ich stelle mir das komisch vor: Mein Kind lehnt meinen Favoriten ab. Es mag mal später vielleicht eine andere Partei wählen, eine experimentelle Lebensform ausprobieren, sich vegetarisch ernähren oder womöglich zum Islam konvertieren. Alles denkbar. Aber plötzlich im Trikot des ärgsten Liga-Konkurrenten rumlaufen? In meiner Wohnung? Ich würde mich mit der Frage quälen, wann und wo ich als Vater etwas so falsch gemacht habe, dass jugendliche Rebellion gegen die Eltern sogar bei solch sensiblen Dingen nicht haltmacht. Vielleicht wäre ich dann spontan auch mal ganz unsensibel und würde beim Mittagessen Themen wie Enterbung oder Adoptionsfreigabe ins Spiel bringen. Muss man sich denn als Vater heutzutage alles gefallen lassen?
Doch so schwarz sehe ich das eigentlich nicht. Dass es nämlich auch aufmunternde Beispiele gibt, zeigt fast jeder Stadionbesuch, wo sich Kinder am fußballerischen Geschmack der Väter orientieren. Und nicht nur das! Es gibt sie nämlich immer noch – die selbstgebastelten Fahnen. Wenn ich dann so einen kleinen Knirps damit sehe, wird mir immer etwas wehmütig. »Mal dir doch mal die FC Bayern-Fahne, die du gerne hättest!« Jawohl, so gehe ich vor. Das wird meine Strategie. So viel Pädagogik muss sein.
Den kleinen Laden von »Fahnen Meindl« gibt es schon lange nicht mehr. Als ich nach Jahren vor dem leeren Schaufenster in der Kölner Hämergasse stand und in den ausgeräumten Laden blickte, war das kein schöner Augenblick. Als Fanartikel später Massenware wurden und das längsgestreifte Bayern-Trikot in Rot-Blau ab 1995 auch bundesweit in fast jedem gut sortierten Sportgeschäft erhältlich war, war ich bereits 27 Jahre
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