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Sehnsucht FC Bayern

Sehnsucht FC Bayern

Titel: Sehnsucht FC Bayern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Radtke
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um DAS entscheidende Tor zu sehen, um dann bei anderen Spielen einen weniger entscheidenden Treffer durch Abwesenheit fahrlässig zu ignorieren. Tor bleibt für mich Tor. Da kenne ich kein Pardon.
    Genauso beiße ich mir noch heute vor Wut in den Hintern, wenn ich nach Anpfiff unpünktlich auf meinem Platz eintreffe und bereits der erste Treffer – womöglich noch für Bayern – gefallen ist. Meine neurotische Haltung geht so weit, dass ich über verpasste Tore eine eigene Statistik führe, welche nach fast 700 Spielen die für mich deprimierende Anzahl von fünf Pflichtspiel- und 23 Freundschaftsspiel-Toren ausweist.
    Ausgelöst wurde meine Haltung durch den Besuch des internationalen Leichtathletik-Meetings in Köln, dem ASV-Sportfest, Anfang der achtziger Jahre. Meine Eltern setzten sich mit der Idee eines vorzeitigen Nachhauseweges durch, obwohl der Stadionsprecher noch einen Weltrekordversuch im Stabhochsprung ankündigte. Es ist fast überflüssig zu erwähnen, dass wir vor dem Müngersdorfer Stadion nur Ohrenzeugen des erfolgreichen Versuches von Pierre Quinon über 5,82 Meter wurden. So etwas prägt.
    Ein solches Verhalten wird nur noch von jenen Zuschauern überboten, die bei einer Drei-Tore-Führung ihrer Mannschaft das Stadion vor Abpfiff verlassen. Was ist das denn? Man stelle sich das mal in der Oper vor: »Okay, das war nun die Arie, wir können jetzt gehen.« Womöglich riefen genau diese Zuschauer noch beim Heimspiel zuvor »Wir woll’n euch kämpfen seh’n«. Tut dies die Mannschaft erfolgreich, würden Sie dann das Stadion verlassen? Ich käme auch nie auf die Idee, während des Spiels auf die Toilette zu gehen oder mir etwas zum Trinken zu kaufen. Entweder regele ich das vorsorglich vor dem Anpfiff, nutze dazu die Halbzeit, oder ich übe Verzicht. Mal abgesehen davon, dass es auch furchtbar nervt, wenn man »Zuspät-Kommern« oder »Zu-früh-Gehern« in den engen Sitzreihen permanent Platz machen muss. Einen Orden für Rücksichtslosigkeit haben sich dabei jene verdient, die sich bei spannenden Szenen an einem vorbeiquetschen oder, durch die plötzliche Geräuschkulisse aufgeschreckt, plötzlich sogar vor einem stehen bleiben. Jeder weiß, was ich meine.
    Mittlerweile durchlief ich die achte Klasse des örtlichen Gymnasiums in Engelskirchen, in der Nähe von Gummersbach. Innerhalb der Jungs galt es seinerzeit als schick, durch Tragen eines entsprechenden Halstuches oder Buttons seines Lieblingsvereins auch nach außen zu zeigen, zu wem man hält. Ich wollte dabei nicht hintenan stehen und radelte auf Empfehlung eines Freundes zu einem 17 Kilometer entfernten Sportgeschäft in Overath. In meiner Klasse bildeten sich eine Gladbach-, Schalke-, Köln- und auch kleine Bayern-Fraktion. Die Mädchen hatten ihre Batik- oder Palästinenser-Halstücher, wir unsere Vereinshalstücher, fanden das trendy und dachten uns nichts dabei. Ganz im Gegensatz zu einigen besorgten Lehrern, die einen offen zur Schau getragenen Konflikt vermuteten und tatsächlich beim Elternsprechtag ein Verbot in Aussicht stellten. In so manchen Familien der Nachbarschaft fanden in jenen Tagen ernsthafte und einseitig geführte Gespräche von Alt zu Jung statt.
    Die Einheit der Klasse, die eigentlich nie in Frage stand, war nun auch wieder optisch hergestellt. Und zwar gerade noch rechtzeitig vor dem einwöchigen Ski-Ausflug ins oberbayerische Aschau im Chiemgau. Die dortigen Schneeverhältnisse waren jedoch äußerst dürftig, und so beschlossen die mitgereisten Lehrer als Alternativprogramm einen Tagesausflug zum Besuch des Deutschen Museums in München. MÜNCHEN! Nie zuvor war ich in der Stadt meiner Stars. Nie zuvor war ich ihnen näher. Eine Stadt, die ich nur aus dem Fernsehen kannte und die in meiner Wahrnehmung natürlich durch den FC Bayern und ein bisschen durch ZDF-Oberkommissar Derrick geprägt war.
    Den Museumsbesuch bewältigte ich selbstständig mit meinem besten Kumpel Joachim. Joachim war Nürnberg-Fan und damit gewissermaßen der Exot unter uns Jungs. Der Besuch zog sich hin. Irgendwann standen wir gemeinsam im vierten Stock des Museums am Fenster, blickten auf die diesige Innenstadt und entdeckten in der Ferne den Olympiaturm. Da war es, da musste es sein – das Olympiastadion! Und vielleicht auch irgendwo da draußen die Säbener Straße. Eine merkwürdige Situation. Wir hielten beide kurz inne und setzten unseren Rundgang als brave Schüler schließlich fort. Erst Tage später erfuhr ich, dass einige

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