Sehnsucht nach Owitambe
tätschelte mitfühlend seine Hand. »Sie Armer! Was müssen Sie deswegen für Qualen ausstehen! Aber was haben Sie schon für eine Wahl? Schließlich sind sie der Ernährer Ihrer Familie. Ich verabscheue dieses sinnlose Töten ebenfalls. Es zeigt doch nur, wie barbarisch die meisten Männer sind. Mein Mann hat sich zum Beispiel in den Kopf gesetzt, mir einen Tiger als Bettvorleger zu schießen. Ist das nicht furchtbar?«
Sie sah ihm tief in die Augen, bevor sie fortfuhr. »Es ist wunderbar, dass Sie anders empfinden. Ihre Frau kann sich glücklich schätzen. Wo ist sie überhaupt? Ich habe sie noch gar nicht gesehen.«
Fritz räusperte sich. »Meine Frau lässt sich entschuldigen«, meinte er. »Ich habe an ihrer Stelle meine Tochter mitgebracht.«
Lady Gwyneira zog erstaunt die Augenbraue hoch. »Ihre Frau lässt sich in der letzten Zeit überhaupt recht selten sehen. Schämt sie sich etwa wegen ihres Fauxpas während des Thronfestes? Sagen Sie ihr, dass ich ihr längst verziehen habe.«
Fritz lächelte dankbar. »Das ist sehr freundlich von Ihnen. Ich habe ihr mehrere Male nahegelegt, sich bei Ihnen zu entschuldigen. Ich bin sicher, dass sie es noch nachholen wird.«
Sie traten aus dem Stallzelt, das etwas abseits der Unterkünfte stand. Fritz verabschiedete sich von Gwyneira und versprach ihr, bald wieder zu ihr zu stoßen. Dann begab er sich in sein Zelt, um sich umzuziehen. Ganz im Gegensatz zu seiner Frau hatte Gwyneira Größe gezeigt. Sie hatte Jella verziehen, obwohl
sie sich so unmöglich verhalten hatte. Er nahm es Jella immer noch übel, dass sie sich bei jenem Dinner so undiplomatisch verhalten hatte. Offensichtlich war es ihr völlig gleichgültig gewesen, welches Licht dieser Vorfall auch auf ihn warf. Als er sie am nächsten Morgen daraufhin ansprach, hatte sie die Dreistigkeit besessen, ihm auch noch eine Mitschuld zuzusprechen. Sie hatte ihm vorgeworfen, dass ihm das gesellschaftliche Geplänkel wichtiger sei als ihre Familie. Als er ihr zum wiederholten Mal erklärt hatte, dass es taktisch notwendig sei, sowohl mit dem indischen Hof als auch mit den Briten auszukommen, hatte sie nur harsch aufgelacht und ihm vorgeworfen, seine Grundüberzeugung aufgegeben zu haben, nur um Karriere zu machen. »Der Fritz, den ich in Afrika kennengelernt habe, hätte nie bei einer Tigerjagd mitgemacht.« Die Worte hatten sich wie ein Stachel in sein Fleisch gebohrt. Er war daraufhin furchtbar wütend geworden und hatte ihr sogar angeboten, sich von ihr zu trennen. Daraufhin hatte sie seltsam gefasst reagiert. »Das wird wohl das Beste sein«, hatte sie ihm geantwortet und dann das Zimmer verlassen. Seither hatten sie nur noch das Notwendigste miteinander gesprochen. Noch am selben Abend war Jella in ein anderes Zimmer umgezogen. Es war, als hätte jemand eine Mauer zwischen ihnen errichtet. Auch wenn es ihm schwerfiel, es zuzugeben: Fritz fühlte sich von Jella nicht nur gekränkt, sondern er hatte das Gefühl, dass er ihr im Laufe der Jahre unwichtig geworden war. Jella fand ihre Erfüllung in ihrer Arbeit als Ärztin. Er selbst spielte offensichtlich keine große Rolle mehr. Das Schlimme daran war, dass Jella vor allem in einem recht hatte. Die Tatsache, dass er die Tigerjagd mitorganisierte, widersprach tatsächlich seinen Moralvorstellungen. In Afrika hatte er noch für den Erhalt des Elefantenbestandes gekämpft; jetzt half er, die wundervollen Tiger zu töten. Er wusste, dass es unter Umständen zu einem richtigen Gemetzel kommen konnte. In manchen Fürstentümern
wurden bei einer großen Tigerjagd bis zu zwanzig Tiere auf einmal getötet. Das war blanker Wahnsinn. Trotzdem war er gezwungen mitzumachen. Hatte er denn eine andere Wahl? Wenn er nicht seine Stellung verlieren und damit ihr sicheres Einkommen verlieren wollte, musste er mitmachen. Schließlich waren sie auf sein Einkommen angewiesen.
Er blickte in den Spiegel über der Waschschüssel. Sein nasses, graues Haar hing ihm wirr ins Gesicht, während er sich musterte. Für einen Mann um die fünfzig sah er immer noch erstaunlich gut aus. Sein Körper war kräftig und gut trainiert, seine Gesichtszüge waren straff, auch wenn sich um die Mund-und Augenwinkel feine Fältchen gebildet hatten. Und trotzdem verabscheute er sich für das, was er morgen tun musste. Um nicht weiter darüber nachdenken zu müssen, zog er seine Taschenflasche hervor und trank einen ordentlichen Schluck Whisky daraus. Er war ganz gewiss kein Trinker, doch heute hatte er das
Weitere Kostenlose Bücher