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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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des Maharanas warten nicht ewig!«
    Sie zog den Reißverschluss ihrer Reisetasche zu und eilte die Treppe hinunter. Ihr Vater stand bereits an der Tür.
    »Sagt Mutter uns nicht Lebewohl?«, fragte sie verwundert. Das Gesicht ihres Vaters verhärtete sich. »Wahrscheinlich hat sie zu tun«, brummte er. »In zwei Tagen sind wir ja wieder zurück.«
    »Ich geh noch schnell runter in ihre Praxis!« Sie stellte ihre Tasche neben ihren Vater und ging die Stufen hinunter zum ehemaligen Lagerraum des Haveli, in dem ihre Mutter jetzt ihre Praxis hatte. Tatsächlich war Jella gerade damit beschäftigt, ein erkältetes Kind abzuhorchen. Als sie Ricky sah, lächelte sie.
    »Ich wollte mich von dir verabschieden«, meinte Ricky. »Warum kommst du nicht schnell nach oben? Vater wartet auch.«
    »Tut er das?« Jella klang nicht sehr begeistert.
    »Ihr müsst euch wieder vertragen!«, forderte Ricky. »Die Stimmung im Haus hält ja kein Mensch aus.«
    Jella hob das Kind vom Behandlungstisch und überreichte es zusammen mit einem selbst gemischten Hustensaft seiner Mutter. »Du musst deinem Sohn morgens und abends einen kleinen Schluck davon geben. In ein paar Tagen ist er wieder gesund.«
Die Frau nickte, nahm ihren Jungen und verließ den Raum. Jella wusch sich die Hände und umarmte dann ihre Tochter.
    »Mach’s gut, meine Kleine«, sagte sie. »Und genieß die Zeit.«
    »Und du willst wirklich nicht mit?«
    Ihre Mutter schüttelte den Kopf. »Ganz bestimmt nicht! Du weißt ja, dass ich diese gesellschaftlichen Verpflichtungen hasse. Es ist einfach nicht meine Welt.« Ricky schickte sich an zu gehen, doch Jella hielt sie nochmals auf.
    »Hat dein Vater sonst noch etwas gesagt?« Sie wirkte leicht unsicher. Ricky bedauerte. Als sie wieder nach oben ging, hatte sie ein merkwürdiges Gefühl. Ihre Eltern hatten auch früher schon hin und wieder gestritten, doch dieses Mal war es anders. Ihr kam es vor, als wäre ein tiefer Graben zwischen den beiden entstanden.
     
    Die Tigerjagd fand außerhalb der Stadt am Rande der Berge statt. Entlang der schroffen Felswände und steilen Hänge dehnte sich ein riesiger Urwald aus, in dessen Mitte die Überreste eines alten Forts standen. Vor vielen Hundert Jahren war der zerfallene Palast die Trutzburg eines lokalen Herrschers gewesen, bis der Sultan von Delhi sich eines Tages mit seinen Truppen das ergiebige Jagdgebiet erobert und das Fort zerstört hatte. Vor mehreren Generationen war das Jagdgebiet in die Hände der Maharanas von Udaipur gefallen, und es gehörte unter anderem zu Fritz’ Aufgaben, dafür zu sorgen, dass keine Wilderer die Wildtiere töteten. Es war eine zweischneidige Pflicht, die ihm da übertragen worden war. Auf der einen Seite sollte er die Tiere vor den Einheimischen schützen, auf der anderen Seite gingen der Maharana und seine Gäste hin und wieder rücksichtslos auf die Jagd. Vor allem auf die prächtigen Tiger und Leoparden hatte es der Herrscher abgesehen. Sein Palast war voll von Trophäen, und sie waren ein beliebtes Gastgeschenk für die britischen Herrscher. Diese Jagden fanden meist nur
alle zwei Jahre statt, sodass sich der Tierbestand immer wieder erholen konnte. Im Grunde seines Herzens verabscheute Fritz die Jagd, und er hatte wie immer versucht, ihr fernzubleiben. Doch dieses Mal bestand der Maharana auf seine Anwesenheit.
    Die Jagd und das sich anschließende Pferderennen stellten ein großes gesellschaftliches Ereignis dar. Auf einer idyllisch gelegenen Waldlichtung, die von einer riesigen Würgefeige beherrscht wurde, war ein komfortables Zeltlager errichtet worden. Der Banyanbaum mit seinen weit ausgreifenden, bis zu zwei Metern über dem Boden aufragenden Luftwurzeln war ein Parasit, der sich mit seinen unzähligen Verästelungen und Verzweigungen um den Stamm eines Wirtsbaums gelegt hatte. Seine Ausmaße waren so gewaltig, dass man zwischen den Luftwurzeln hindurchschlüpfen konnte und dabei das Gefühl bekam, in einem Märchenreich zu wandeln. Die aufgestellten Zelte waren mit Betten, Kleidertruhen und kleinen Tischen vollständig eingerichtet. Emsige Diener eilten mit silbernen Teekannen umher und servierten den bereits eingetroffenen Gästen Tee und andere Getränke.
    Ricky traf gerade mit Sally O’Brian in einem der acht Horstmann-Automobile ein. Der Maharana hatte sie erst kürzlich aus dem englischen Bath importieren lassen. Mit unsicheren Schritten entstiegen die beiden Mädchen dem Gefährt. Die Fahrt mit dem offenen Dreisitzer war laut

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