Sehnsucht nach Owitambe
die vorgaben, einem Kunstverein anzugehören, viel Geld dafür, für sie Modell zu sitzen …«
Jellas Stimme verebbte. Sie kämpfte um ihre Fassung. Voller Mitgefühl wollte Fritz ihr übers Haar streichen, doch dann ließ er es lieber sein.
»Du musst nicht weiterreden, wenn es dich zu sehr schmerzt«, meinte er. Jellas Körper versteifte sich. Sie lag immer noch auf der Seite und blickte in die Ferne. Dann schüttelte sie den Kopf.
»Es ist wichtig, dass du es weißt«, meinte sie leise. »Vielleicht verstehst du dann besser, warum ich manchmal so abweisend bin!«
Sie drehte sich ihm zu und sah ihn an. Durch die Tränen schimmerten ihre Augen wie ein klarer Bergsee.
»Sie haben mich eingesperrt und vergewaltigt, nicht einmal, nicht zweimal …« Ihre Worte kamen stoßweise, und ihr Tonfall wurde immer verzweifelter. »Sie haben es die ganze Nacht getan und mich danach wie einen gebrauchten Putzlappen einfach liegen gelassen. Ich wollte damals sterben, und so wäre es sicher auch gekommen, wenn mich Heinrich nicht zu sich nach Hause genommen hätte, verstehst du?«
Sie hatte sich aufgerichtet und begann hemmungslos zu weinen.
Fritz streckte seinen Arm aus, zog ihn aber gleich wieder zurück. Er war sich nicht sicher, ob sie seine Nähe jetzt ertragen konnte. Hilflos sah er zu, wie Jellas Körper von den Weinkrämpfen zu beben begann. Er war zutiefst erschüttert, obwohl er Ähnliches immer geahnt hatte. Jella war keine Jungfrau mehr gewesen und hatte dennoch Angst vor Männern. Im Burenkrieg hatte er oft in die Augen vergewaltigter Frauen sehen müssen. Er konnte die Qual nur ahnen, die diese Frauen durchmachten und die sie oft genug daran hinderte, jemals wieder in ein normales Leben zurückzufinden.
»Ich wünschte, ich könnte es ungeschehen machen«, meinte er hilflos. »Ich weiß, dass das nicht möglich ist, aber ich will dir trotzdem helfen, es zu vergessen.«
Jella sah ihn mit tränenverschmiertem Gesicht an und ergriff seine Hand. »Das weiß ich«, meinte sie tapfer und schniefte. »Weiß der Teufel, warum ich das ausgerechnet auf unserer Hochzeitsreise erzähle!«
»Das muss der Zauber von »Buschmanns Paradies« sein«, meinte Fritz nachdenklich. »Vielleicht ist dies ein Ort, an dem sich alles löst?«
Jella zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ist es wirklich so.« Schniefend zog sie ihre Nase hoch und wischte sich die Tränen weg. »Du magst es glauben oder nicht, mir ist jetzt viel leichter zumute. Das schreckliche Erlebnis lag wie Teer auf meiner Seele. Ich konnte seither nie mehr unbeschwert in die Zukunft sehen. Mein ganzes Leben lag hinter einem grauen Schleier. Erst durch dich habe ich erkannt, dass es auch schöne Dinge gibt!«
Fritz küsste sie zärtlich auf die Stirn.
»Ja, die gibt es! Und ich wünsche mir, dass du von nun an nur noch an die schönen Dinge denken wirst. Komm mit! Wir werden noch ein Stück weiterziehen. Ich habe noch ein paar Überraschungen auf Lager!«
Wie ein Geist aus der Anderswelt stand Bô im Schein des verglühenden Feuers vor Nakeshi und starrte sie genauso fassungslos an wie sie ihn. Das Herz der jungen Buschmannfrau verkrampfte sich bei seinem Anblick und nahm ihr die Luft zum Atmen. Längst verloren geglaubte Gefühle flammten mit einer Wucht in ihr auf, die sie selbst erstaunte. Da war Wiedersehensfreude, gemischt mit bittersüßen Gefühlen, Wut, Sehnsucht und Enttäuschung. Ein Teil von ihr wollte dem jungen Buschmann in die Arme fallen, aber dann siegte die Erinnerung an die Enttäuschung, die er ihr zugefügt hatte.
»Was willst du hier?«
Ihre Stimme war nicht mehr als ein fassungsloses Flüstern. Statt einer Antwort deutete Bô auf das Straußenei neben ihr. Seine Hand zitterte. Erst jetzt bemerkte Nakeshi, dass sich der junge Buschmann kaum noch auf den Beinen halten konnte. Sie griff nach dem Ei und reichte es ihm. Bô lächelte scheu und trank genussvoll einen kräftigen Schluck. Als er ihr das Ei wieder reichte, meinte sie ein kurzes Leuchten in seinem gesunden Auge zu erkennen, während das blinde, milchige Auge an ihr vorbei in die Schwärze der Nacht starrte. Ihr Herz klopfte wild. Es verwirrte sie, weil sie immer noch etwas für ihn empfand.
»Ich bin hier, um die Elefanten zu finden«, beantwortete Bô schließlich ihre Frage. Sie hatte ganz vergessen, wie sehr sie den warmen, singenden Klang seiner Stimme vermisst hatte.
»Sie waren hier, um zu trinken«, sagte Nakeshi. »Nicht weit von hier ist eine Wasserstelle. Unsere
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