Sehnsucht nach Owitambe
großen Brüder haben sie mit ihren Rüsseln und Zähnen für uns gebohrt.«
Bôs Miene hellte sich auf. Er deutete auf den Platz neben ihr und sah sie bittend an. Nakeshi nickte. Er setzte sich auf seinen Lederumhang, holte ein Paar Nüsse und Knollen aus seiner Umhängetasche und bot sie Nakeshi an, die bereitwillig davon nahm. Sie sprachen kein Wort, sondern kauten schweigend. Die Kaugeräusche hatten nun auch Chuka aufgeweckt, die Bôs
überraschende Ankunft bislang verschlafen hatte. Mürrisch, mit noch geschlossenen Augen, raunzte sie ihre Tochter an.
»Du denkst wohl, ich merke nicht, wenn du unsere letzten Vorräte heimlich aufisst!«, schimpfte sie.
»Ich teile gern auch mit dir.«
Beim Klang der fremden Stimme riss Chuka erstaunt die Augen auf und rappelte sich schließlich auf. Bô reichte ihr eine kleine, wohlschmeckende Knolle.
»Wer, was … was geht hier vor?«, stammelte die alte Frau, erst erschrocken, doch als sie Bô im Zwielicht des Feuers erkannte, dann umso überraschter. Im Gegensatz zu ihrer Tochter freute sie sich über Bôs Anwesenheit und vor allem über seine Großzügigkeit. Gierig griff sie nach der Knolle und biss genüsslich hinein.
»Du musst mir zeigen, wo du diese Feldkost findest«, schmatzte sie zufrieden. »Diese Knolle gibt es bei uns nicht.«
Bô lachte gutmütig.
»Das werde ich, Chuka, das werde ich.«
»Woher kommst du? Lebst du bei Twi? Er ist mein Sohn.«
»Twi und die anderen sind nur zwei Tagesreisen von hier entfernt.«
»Du musst mir alles über ihn erzählen. Habt ihr genug zu essen?«
Bô kam Chukas Bitte gern nach. Während er weiteraß, erzählte er von Twi und Kwi und den anderen, davon, dass er seit einiger Zeit wieder bei ihnen lebte und den Jägern als Fährtenleser ein guter Helfer geworden war. Nakeshi fiel auf, dass er gelöster wirkte als früher und viel mehr lachte. Immer wieder warf er ihr einen freundlichen Blick zu, den sie allerdings beharrlich übersah. Scheinbar unbeteiligt folgte sie dem Gespräch, obwohl sie jedes einzelne Wort in sich aufsog. Offensichtlich hatte Bô seine innere Kraft wiedergefunden. Die Geister, die ihm nach dem Unfall eingeredet hatten, dass er zu nichts mehr
nütze sei, hatten seine Seele verlassen. Zu gern hätte sie erfahren, ob Bô mit einer anderen Frau zusammenlebte, aber ihr Stolz ließ diese Frage nicht zu. Zu tief saß der Schmerz über sein plötzliches Verschwinden. Immerhin erfuhr sie, dass es ihrem Bruder Twi, dessen Frau Yo und ihrem heranwachsenden Sohn Tikay gut ging.
»Ich werde euch morgen zu ihnen führen«, meinte Bô und gähnte. Chuka stieß einen erleichterten Seufzer aus.
»Dann hat die Mühsal endlich ein Ende. Ich bin eine alte Frau und sehne mich nach Ruhe. Ich werde bei Twi und seiner Frau bleiben.«
Sie machte es sich unter ihrem Lederumhang bequem und schlief umgehend wieder ein. Bô musterte Nakeshi, die sich ebenfalls anschickte, sich hinzulegen.
»Mein Herz freut sich, dich wiederzusehen«, meinte er.
»Ich habe nicht gewusst, dass du bei Twi lebst«, antwortete sie kalt. Ihr Herz fühlte ganz anders, dennoch fügte sie hinzu: »Ich hätte Chuka sonst nicht hierherbegleitet.«
Dann drehte sie sich mit dem Rücken zum Feuer und stellte sich schlafend.
Gemächlich zockelten Jella und Fritz über die staubigen Sandpads zurück in Richtung Waterberg. Sie beschrieben dabei einen großen Bogen, fuhren erst nach Norden, um dann wieder nach Westen in Richtung des mächtigen Waterbergplateaus abzubiegen. Die karge Landschaft der Omaheke hatte sich in locker bewaldetes Buschland mit grünen Bäumen und einzelnen Wasserlöchern verwandelt. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Lediglich die wilden Tiere waren ihre Begleiter. Einmal tauchte unvermutet ein großer Kudubulle aus dem Gebüsch auf. Er trat direkt vor ihnen auf den Weg und zeigte seine Flanke. Die mächtigen gedrehten Hörner auf seinem Kopf verliehen
ihm Würde und Ansehen. Fritz hielt den Wagen an. Der Kudubulle beäugte sie und schien zu überlegen, ob wohl Gefahr von diesem seltsamen Gefährt ausginge. Er schien zu keinem eindeutigen Ergebnis zu kommen; schließlich drehte er in aller Würde ab und verschwand gemächlichen Schrittes hinter dem nächsten Rosinenbusch.
Die Nacht wollten sie auf einer Anhöhe oberhalb eines Wasserlochs verbringen. Fritz hatte Jella nicht zu viel versprochen. Von ihrem Felsen aus hatten sie einen atemberaubenden Blick auf die Savanne und den Waterberg. Direkt unter ihnen tummelten sich
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