Sehnsucht nach Owitambe
Isabella und dem Geschehen war immer noch die Boxenwand, sodass sie nur das überraschte Gesicht ihres Mannes entdecken konnte. Er sah sie kurz an, dann sank sein Körper schwer auf den Boden. Wie in Trance eilte sie um die Boxenwand herum, wo ihre benommene Tochter und ihr von der Mistgabel aufgespießter Mann lagen. Der junge Sonthofen, nur mit einer Hose bekleidet, stand fassungslos daneben. Er starrte abwechselnd auf Sonja, die sich gerade wieder zu regen begann, dann auf Nachtmahr und schließlich zu Isabella.
»Ich habe ihn getötet«, meinte er tonlos. »Ich habe Sonjas Vater umgebracht.«
Er schüttelte den Kopf, so, als könne er dadurch Klarheit bekommen. Dann schnappte er nach seinem Hemd und den Schuhen und floh kopflos an Isabella vorbei durch die Hintertür ins Freie.
Diwali
Rickys Schrei löste Jellas von Panik hervorgerufenen Krampf. Sie wusste, dass etwas Schlimmes geschehen war. Während es Fritz endlich gelang, die Schlange zu stellen und sie mit einem Stuhl zu erschlagen, eilte Jella zu ihrer Tochter, die leichenblass am Boden hockte und sich ihr Bein hielt. Zwei deutlich sichtbare Blutstropfen markierten die Eintrittsstelle der Giftzähne. Jella hatte schon viele Schlangenbisse behandelt und wusste, dass die der Brillenschlange besonders gefährlich waren.
»Wir müssen sie aufs Bett legen. Sie darf sich so wenig wie möglich bewegen«, ordnete sie an. Gemeinsam mit Fritz hoben sie Ricky vorsichtig auf das Bett. Das Mädchen stand unter Schock und starrte sie nur mit weit aufgerissenen Augen an. »Du musst versuchen, ganz ruhig zu bleiben. Das Gift soll sich nicht in deinem Körper ausbreiten.« Jella streichelte beruhigend über ihre Wange und versuchte zu lächeln. »Du bist stark. Du wirst es schaffen«, sagte sie, obwohl sie wusste, dass die Chancen, einen Kobrabiss zu überleben, sehr gering waren. Ricky nickte tapfer. Dann begann sich der Schmerz in ihrem Bein wie Feuer auszubreiten.
»Wir müssen die Wunde öffnen und aussaugen«, meinte Fritz verzweifelt. Er war unter seiner gebräunten Haut mindestens ebenso fahl wie seine Tochter. Die Sorge um sie brachte ihn an den Rand des Wahnsinns. »Mein Gott, so tu doch endlich was!« Er machte Anstalten, selbst die Wunde zu öffnen, doch Jella hielt ihn davon ab. »Das hat überhaupt keinen Sinn«, rief sie. »Wenn wir die Wunde aussaugen, wird das Gift sich nur noch schneller
im Körper ausbreiten. Wir müssen das Bein ruhig stellen und dafür sorgen, dass sie sich nicht aufregt. Noch steht sie unter Schock und spürt nur den Schmerz des Bisses, aber in wenigen Minuten werden die ersten Lähmungen einsetzen. Beruhige sie, ich gehe schnell runter in die Praxis und hole das Notwendige.«
Wenig später kam sie mit einer Schiene, Verbandsmaterial und einem Beruhigungsmittel zurück. Sie schüttete das Pulver in ein Glas Wasser und gab es Ricky zu trinken.
»Wap is mit meiner Lippe?«, fragte diese panisch. »Ich kann sie kaum noch spüren.«
»Du musst ganz ruhig bleiben!« Jella bemühte sich um einen sorglosen Ton. Sie war angespannt wie eine Feder. Ihre Nerven lagen blank, und sie wusste nicht, wie lange sie das durchhalten würde. Aber noch funktionierte sie. Fritz stand hilflos neben ihnen und fuhr sich immer wieder mit seiner einen Hand durch die ohnehin zerzausten Haare.
»Geh und mach uns einen Tee«, bat Jella mit einem aufmunternden Lächeln. »Wir werden ihn heute Nacht gut gebrauchen können.« Sie überlegte, wie sie ihre Tochter am besten auf die bevorstehenden Stunden vorbereiten sollte. Sie musste ihr sagen, was sie erwartete. Doch Ricky stöhnte nur noch. Ihr Bein war mittlerweile dick wie eine Pampelmuse angeschwollen und begann sich grünlich zu verfärben. Jella wusste, dass das Gift zweierlei Wirkungen hatte. Zum einen rief es starke Lähmungserscheinungen hervor, zum anderen wirkte es direkt an der Eintrittswunde und zerstörte dort das Gewebe. Sie musste es ruhigstellen und hoffen, dass die Wunde sich wieder schloss. Doch erst musste Ricky den Kampf gegen das Gift in ihrem Körper überstehen. Ihr linkes Augenlid hing bereits schlaff herunter, und ihr Blick trübte sich ein. Sie versuchte etwas zu sagen, doch sie brachte nichts als ein hilfloses Lallen zustande.
»Du musst kämpfen, mein Liebes«, sagte Jella voller Verzweiflung. »Lass nicht zu, dass dich das Gift tötet. Du schaffst es.«
Ohnmächtig musste sie mit ansehen, wie die Lähmungen den ganzen Körper ihrer Tochter ergriffen. Sie flößte ihr nochmals
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