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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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Generalamnestie gegen alle Insassen der deutschen Konzentrationslager gab.«
    »Und was sagt eure Tochter dazu?«
    »Sie wird vernünftig genug sein, uns zu folgen. Außerdem kann sie auch in Windhuk die Schule abschließen und …«
    Ricky lauschte nicht weiter. Was sie gehört hatte, reichte ihr. Unbemerkt schlich sie in ihr Zimmer und setzte sich auf ihr Bett. Sie musste erst einmal Ordnung in ihre Gedanken bringen. Was ihr Vater da eben so scheinbar selbstverständlich gesagt hatte, war einfach unglaublich. Zurück nach Afrika! Sie konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen. Natürlich wäre es schön, ihren Großvater und ihre Großmutter kennenzulernen. Aber die konnten sie genauso gut hier in Indien besuchen! Sie würde auf keinen Fall dorthin gehen. Ihr Vater konnte sie nicht dazu zwingen – und wenn doch, würde sie mit Mukesh fliehen.
     
    So kam der dritte Tag von Diwali, der Lakshmi Puja, der zu Ehren der Glücksgöttin Lakshmi gefeiert wurde. An diesem Tag wurden die Lichter schon am frühen Morgen entzündet, denn die Glücksgöttin kehrte nur in die Häuser ein, in denen auch Licht brannte. Sie vergewisserte sich, dass die Behausungen aufgeräumt waren. Viele Geschäftsleute nahmen das zum Anlass, ihre Häuser neu anzustreichen. Sie schlossen ihre Buchhaltung ab und legten neue Geschäftsbücher an, in der Hoffnung,
dass Lakshmi ihnen Erfolg schenkte. Lakshmi Puja fiel immer auf Neumond. Es war der letzte Tag im Kalenderjahr der Hindus. Dementsprechend feierten die Menschen ausgelassen auf den Straßen. Überall gab es Tombolas oder andere Glücksspiele. Für Ricky konnte der Tag nicht schnell genug vorübergehen. Ihr Vater hatte ihr halbherzig vorgeschlagen, mit ihr über den Basar zu gehen und ein wenig zu feiern. Doch Ricky hatte es mit grimmiger Miene ausgeschlagen. Daraufhin war Fritz sichtlich erleichtert in den Palast gegangen, angeblich um dort Schriftkram zu erledigen, der schon viel zu lange unerledigt herumlag. Ricky war es nur recht; sie hatten am Abend vorher eine heftige Diskussion gehabt, an deren Ende sie wütend das Zimmer verlassen hatte. Nach dem Abendessen, als Jella bereits wieder im Nebenzimmer saß, hatte Fritz ihr die Hiobsbotschaft überbracht, die sie schon vorher belauscht hatte. Er hatte kaum ausgeredet, als Ricky entgegen ihrer sonstigen Art völlig erregt dazwischengegangen war und ihm klipp und klar gesagt hatte, dass sie niemals bereit wäre, Indien zu verlassen. Ihr Vater war völlig überrascht gewesen und hatte versucht, sie mit ruhigen Argumenten zu überzeugen, doch Ricky hörte überhaupt nicht zu. Schließlich war auch Fritz wütend geworden. Ein Wort gab das andere, bis sie schließlich weinend das Zimmer verlassen hatte. Seither herrschte mehr oder weniger Funkstille. Ricky verbrachte den Großteil des Tages allein in ihrem Zimmer. Gegen Abend kam ihr Vater nach Hause, und sie nahmen schweigend mit Jella ihr Abendessen ein. Fritz versuchte es mit ein wenig Konversation, doch Ricky ignorierte ihn und boykottierte seine Versöhnungsversuche. Sie würde nicht aus Indien weggehen und sie hatte auch schon einen Plan, wie sie das verhindern konnte.
    Kaum war das Essen beendet, legte sie ihre Serviette zusammen und stand auf.
    »Ich bin müde«, bedeutete sie ihrem Vater knapp. Dann gab
sie ihrer Mutter einen Kuss und verschwand in ihrem Zimmer. Die nächsten Stunden schienen kaum zu vergehen. Sie hörte, wie die beiden Bediensteten nach Hause kamen und munter lachend in ihrem Zimmer neben der Küche verschwanden. Vom Esszimmer her hörte sie die schweren Schritte ihres Vaters. Er schien ständig auf und ab zu gehen. Schließlich verstummten sie, und Ricky bekam mit, wie ihre Eltern gemeinsam in ihrem Schlafzimmer verschwanden.
    Ricky sah auf die Uhr auf ihrer Kommode. Es war immer noch viel zu früh, um zum Gangaur Ghat zu gehen. Sie legte sich auf ihr Bett und beobachtete die dunkle mondlose Nacht hinter den flackernden Öllampen auf ihrer Fensterbank. In wenigen Stunden würde der Mond aus dem Erdschatten hervortreten und an seinem rechten unteren Ende wieder zu leuchten beginnen. Wer weiß, vielleicht würde es genau dann geschehen, wenn sie und Mukesh in einem Boot über den See ruderten. Ob er sie wieder küssen würde? Ricky fühlte wieder das wohlige Kribbeln in ihrem Bauch. Sie war zum ersten Mal in ihrem Leben verliebt und malte sich die Zukunft mit Mukesh in den schönsten Farben aus. Sie würde Tänzerin werden und ihn betören. Irgendwann würden sie

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