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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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den Jungfrauen davon. Als Dank für ihre Befreiung
badeten die Jungfrauen Krishna noch vor Sonnenaufgang in wertvollem Öl.«
    »Ach Mina, das weiß ich doch alles«, seufzte Ricky, die es in Wirklichkeit genoss, jedes Jahr aufs Neue die Geschichte zu hören. »Kann ich dir nachher wieder beim Anfertigen der Kolams helfen?«, fragte sie. »Wenigstens ein Muster möchte ich selbst gestalten.«
    Die alte Dienerin lächelte geschmeichelt und entblößte dabei ihre Zahnlücke. »Und später werde ich deine Hände mit Henna bemalen. Lakshmi liebt bemalte Hände und wird so ganz sicher in euer Haus kommen.« In ihren Augen lag ein mitleidiger Glanz. »Vielleicht gelingt es ja Lakshmi, den Dämon zu vertreiben, der in deine Mutter gefahren ist.«
    Rickys gute Laune trübte sich auf einmal ein. Die meiste Zeit versuchte sie, nicht an den Zustand ihrer Mutter zu denken. Sie verdrängte einfach die Tatsache, dass Jella so fremd und unnahbar geworden war, aber jetzt musste sie an früher denken. Als sie ein kleines Mädchen gewesen war, hatte sie mit ihrer Mutter an diesem Tag Blumengirlanden gebastelt und versucht, von Jamina zu lernen, wie man Kolams macht. Sie war immer viel zu ungeduldig gewesen und hatte wenig Geschick bewiesen, dafür hatte sie sie mit lustigen Geschichten aus Afrika unterhalten. Nie hatte sich Ricky ihrer Mutter näher gefühlt als an diesem Tag an Diwali. Später hatte sich die ganze Familie in indische Gewänder gekleidet, und Ricky hatte mit ihrer Mutter die Öllämpchen in den Fenstern entzündet. Zu Sonnenuntergang beschenkten sie sich gegenseitig mit von Bali gefertigten Süßigkeiten und traten dann auf die Terrasse, um das Feuerwerk, das der Maharana an diesen Tagen ausrichten ließ, zu bestaunen. Dieses Jahr war nichts von der Freude, die sonst in ihrem Hause herrschte, zu spüren. Ricky beschloss nach dem Bad, ihre Mutter zu besuchen. Sie stieg die Treppen zu der Dachterrasse hinauf, um ihr die kunstvoll bemalten Hände zu zeigen. Jella saß
wie immer in ihrem Lehnstuhl auf der Dachterrasse und blickte auf einen weit entfernten Punkt am Horizont. Ihre Mutter wandte nicht mal den Blick in ihre Richtung, als sie die Hände vor ihr ausbreitete. Ein dicker Kloß setzte sich in ihrem Hals fest. Sie fühlte sich von ihr allein gelassen. Dann wich ihre Beklemmung einem plötzlich aufwallenden Zorn.
    »Verdammt. Du machst es dir viel zu einfach«, blaffte Ricky ihre Mutter an. »Wieso lässt du uns einfach so im Stich? Komm endlich zurück und kümmere dich um uns!«
    Jellas Augen lösten sich von der undefinierbaren Stelle am Horizont, sie blinzelte und sah ihrer Tochter kurz in die Augen. Einen winzigen Augenblick lang hoffte Ricky, dass ihre Worte die Mutter erreicht hatten. Doch dann versteinerte sich deren Miene wieder, und ihr Blick wanderte zurück in die Leere. Ricky ballte verzweifelt ihre Hände zu Fäusten. Von unten drangen Stimmen zu ihr herauf. Sie hörte ihren Vater mit Salim Mohan reden. Sie sprachen über ihre Mutter und auch über sie. Ricky ging zur Treppe und lauschte der Stimme ihres Vaters.
    »Deshalb habe ich mit Professor Sigmund Freud in Wien korrespondiert. Er ist der Meinung, dass Jella durch die Schlange tief traumatisiert worden ist. Die Schlange sei gewissermaßen zum Kondensationspunkt all ihrer Ängste geworden. Sie hat weiß Gott schon viele schlimme Erfahrungen in ihrem Leben mitgemacht. Wahrscheinlich hat sie sie nie richtig verarbeitet, sondern sich nur immer mit Neuem abgelenkt. Auf jeden Fall ist Professor Freud der Meinung, dass nur ein besonderes Ereignis, das man aber weder herbeiführen noch voraussehen kann, sie womöglich aus ihrer Apathie lösen könnte.«
    »Das hört sich ziemlich kompliziert an«, meinte Salim. Seine Stimme klang eher kritisch. »Was bedeutet das konkret?«
    »Ich überlege, zurück nach Afrika zu gehen«, sagte Fritz. »Jella war dort am glücklichsten. Ihr Vater und Bruder leben noch dort und auch meine Familie. Sie hoffen schon lange darauf,
dass wir wieder zurückkehren. Vielleicht kommt meine Frau ja dort wieder zu Verstand.«
    »Hast du keine Angst, dass du noch einmal im Gefängnis landest? Du warst für ein Kapitalverbrechen angeklagt. Das ist auch bei der neuen Regierung keine Kleinigkeit.«
    »Mein Schwiegervater hat sich schon vor Jahren erkundigt. Es liegen keine Untersuchungen gegen mich mehr vor. Selbst wenn Baron von Nachtmahr nochmals auf einer Klage bestünde, so würde man ihr nicht nachgehen, weil es eine

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