Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
Vom Netzwerk:
neu beweisen. Ob er das ihretwegen auf sich nehmen würde?

    Der Weg nach Owitambe war beschwerlich. Um nicht entdeckt zu werden, mieden Fritz und Rajiv alle Siedlungen. Die Gefahr, einem der herumziehenden Suchtrupps in den Weg zu laufen, wurde mit jedem Stück, das sie sich dem Waterberg näherten, größer. Während Rajiv die ausgezehrten Menschen möglichst im Schutz von Bäumen und Gestrüpp anführte, ritt Fritz voraus, um die auf seiner Karte eingezeichneten Wasserstellen zu überprüfen und ihre Vorräte aufzufüllen. Er stellte Fallen, um kleinere Tiere zu fangen, weil er es wegen des lauten Knalls nicht wagte, ein Tier zu schießen. So weit es ging, marschierten sie in den frühen Morgenstunden und gegen Abend, wenn die Hitze des Tages abgenommen hatte. Die Nächte waren eiskalt; dennoch vermieden sie es, ein Feuer anzuzünden. Eng aneinandergekuschelt überstanden sie die kältesten Stunden,
um dann wieder vor dem Morgengrauen weiterzuziehen. Mateus Waravi kümmerte sich um seine Leute, so gut es ging. Eine alte Frau, die wegen eines Dorns einen entzündeten Fuß hatte, trug er auf seinem ausgemergelten Rücken, bis Rajiv sich ihrer annahm und sie auf seinem Pferd sitzen ließ. Als sie eine baumlose Ebene passierten, suchten sie Schutz in dem tiefer gelegenen, trockenen Flussbett eines Riviere. Seine Böschungen boten ihnen einen guten Sichtschutz. Waravi suchte Fritz’ Nähe. Die Ereignisse der letzten Monate hatten auch ihn schwer gezeichnet, und es drängte ihn, sich jemandem anzuvertrauen.
    »Hereroland ist tot«, murmelte er traurig. Seine Augen füllten sich mit Tränen, und seine Hände ballten sich verzweifelt zu Fäusten, als er von der Schlacht am Waterberg und dem anschließenden Gemetzel zu erzählen begann. »Unsere Anführer waren sich sicher, dass wir es schaffen konnten. Wir waren so viele. Aber die Waffen der Deutji waren stärker. Trotzdem haben wir es geschafft, durchzubrechen. Doch dann haben uns die Soldaten verfolgt. Sie wollten nicht nur unseren Aufstand niederschlagen. Sie wollten unseren Tod! Wir haben den Orlog, den Krieg, verloren.«
    »Wir haben uns verloren.« Es war der erste Satz, den Nancy seit ihrem Wiedersehen gesprochen hatte. Unbemerkt war sie neben die beiden Männer getreten. Ihre Augen wanderten unstet über den Horizont, als suche sie nach dem, was ihnen abhandengekommen war. Fritz legte mitfühlend seine Hand auf ihre Schulter. Er fühlte sich machtlos, weil die wenige Hilfe, die er diesen Menschen bieten konnte, nur ein Tropfen auf den heißen Stein war. Wie sollten sie nach diesen schrecklichen Erlebnissen jemals wieder ein unbekümmertes Leben führen? Er hoffte inständig, dass es ihnen gelingen würde, auf Owitambe nochmals von vorn zu beginnen.
    Rajiv unterbrach seine Gedanken durch ein leises Räuspern.
Besorgt deutete er auf die heranziehenden Gewitterwolken. »Wir sollten so schnell wie möglich den Trockenfluss verlassen«, riet er.
    »Das hat uns gerade noch gefehlt!«, fluchte Fritz. »Dadurch werden wir auf große Entfernungen für die Patrouillen sichtbar. Lass uns noch etwas abwarten. Vielleicht zieht das Gewitter ja noch in eine andere Richtung.«
    Doch die dunkelschwarzen Gewitterwolken zogen in Windeseile direkt auf sie zu. Silbrig wabernde Regenschleier füllten bereits den Horizont. Als Fritz das sah, befahl er den Menschen, so schnell wie möglich das Flussbett zu verlassen. Noch bevor der Regen sie erreichte, würde der Riviere sich mit Wasser füllen. Von Ferne war bereits unheilvolles Brausen zu hören. Dann kam das Wasser in Sekundenschnelle. Schäumende Gischtflocken flogen über die Böschung, noch bevor das schlammigbraune Wasser um die Kurve schoss. Schmutzigbrauner Schaum klatschte an die felsigen Flussufer, die nun zu Brandungsmauern geworden waren. Erst viel später öffnete der Himmel über ihnen seine Schleusen. Gleichmütig ließen die Herero den prasselnden Regen über sich ergehen. Sie hockten sich dicht nebeneinander auf den Boden und warteten stoisch das Ende des Gewitters ab. Als der Regen endlich nachließ, dampfte die Landschaft. Feiner Nebel bildete sich über dem Land und zog die ersehnte Feuchtigkeit schon wieder gen Himmel ab. Dennoch hatte sie ausgereicht, um innerhalb weniger Stunden die Vegetation zum Wachstum anzuregen. Silbergras spross aus dem braunen Sandboden, und gelbe Morgensterne verwandelten alles um sie herum in einen Blütenteppich. Leider hatte keiner von ihnen Augen für dieses Wunder der Natur, denn

Weitere Kostenlose Bücher