Sehnsucht nach Owitambe
habe die Aufgabe, Gesindel wie dieses einzusammeln und in ein Konzentrationslager zu überstellen. Dort wird man sie lehren, vor uns und dem Kaiser Respekt zu haben. Ab sofort werde ich mich um dieses Pack kümmern.«
»Das sehe ich anders«, entgegnete Fritz ruhig. »Ich habe diese Leute gefunden, deshalb werden sie auch bei mir bleiben. Sie kennen die Abmachung, die der Kaiser mit der Rheinischen Mission getroffen hat. Sie haben kein Recht, sich ihrer anzunehmen. Ich handele im Auftrag der Missionare.«
»Und wo, bitte, ist hier der verantwortliche Missionar?«, schnarrte Nachtmahr. Er warf Rajiv einen hämischen Blick zu. »Sie werden doch nicht etwa behaupten, dass dieser komische Heide ein Missionar ist?«
»Traugott Kiesewetter war den Strapazen dieser Reise nicht gewachsen«, erklärte Fritz, ohne sich provozieren zu lassen. »Wir sind in seinem Auftrag unterwegs.«
»Mir scheint allerdings, dass Sie etwas vom Weg abgekommen sind«, meinte Nachtmahr mit einem schmallippigen Lächeln. »Wenn ich es mir genau überlege, dann deutet die Richtung,
in die Sie marschieren, eher auf den Waterberg als in die nächste Missionsstation.«
»Wir haben den Trupp gerade erst hier in der Gegend aufgelesen«, behauptete Fritz und erwiderte Nachtmahrs finsteren Blick fest. »Wenn Sie nichts dagegen haben, würden wir jetzt unseren Weg fortsetzen.«
Er gab seinen Leuten das Zeichen zum Aufbruch. Doch Nachtmahr fuhr ihm in die Parade.
»So einfach lasse ich Sie nicht gehen«, donnerte er. »Diese Menschen stehen von nun an unter meinem Schutz.« Er gab Achim und einem weiteren Soldaten den Befehl, die Herero in Gewahrsam zu nehmen. Doch Fritz stellte sich ihnen entgegen.
»Dazu haben Sie keinerlei Recht«, meinte er wütend. »Wenn Sie mir die Leute entziehen, werde ich Ihren diensthabenden Offizier informieren. Das verstößt gegen die humanitären Abmachungen, die von kaiserlicher Stelle aus angeordnet wurden.«
Nachtmahr wirkte leicht verunsichert. Dieser van Houten war durchaus in der Lage, seine Drohung wahrzumachen. Nach kurzem Zögern rief er seine Leute zurück. Doch Achim hatte mittlerweile Nancy entdeckt.
»Papa«, rief er aufgeregt.
Nachtmahr blitzte seinen Sohn ungehalten an. »Gefreiter Nachtmahr! Wie oft habe ich Ihnen schon gesagt, dass Sie nur reden dürfen, wenn sie gefragt werden!«
»Bi… bitte um Erlaubnis zu reden!«, stammelte Achim nervös. Sein dünner Arm fuchtelte wild in Richtung Nancy.
»Was ist denn mit dieser Frau?«, meinte Nachtmahr ungehalten. »Rede doch endlich!«
»Ich … ich … ich kenne diese Frau«, stotterte der junge Nachtmahr. »Sie gehört nach Owitambe. Sie war dort Köchin, ganz bestimmt. Van Houten wird sie nie in ein Lager bringen.«
Nachtmahrs Miene hellte sich schlagartig auf.
»Sieh einmal an!« Er fuhr sich mit der Hand über sein dunkelgrünes Stoppelkinn. »Stimmt es, was mein Sohn da behauptet?«
Fritz zuckte mit den Achseln. »Und wenn schon. Das ändert nichts an der Tatsache, dass ich mich um die Menschen kümmere.«
»Nun gut. Sie können die Leute zu der nächsten Missionsstation bringen. Allerdings …«, Nachtmahr räusperte sich zufrieden, »werden wir sie dorthin begleiten.« An seine Männer gewandt rief er: »Fesseln!«
Waravi löste sich plötzlich aus der Gruppe. Seine Haltung zeigte unerwartete Entschlossenheit.
»Ich gehe nicht mit diesen Soldaten«, verkündete er. »Lieber sterbe ich.« Er drehte sich um und schlurfte in Richtung Wüste davon. Die anderen Herero blickten ihm ratlos hinterher.
»Waravi, komm zurück!«, rief Fritz. Rajiv machte Anstalten, ihn zurückholen. Doch Achim von Nachtmahr war schneller. Er zückte seinen Revolver und zielte auf den wehrlosen Herero. Ein einzelner Schuss zischte durch die Luft und fand in Waravis Rücken sein Ziel. Ohne sich umzudrehen lief Mateus Waravi weiter. Dunkles Blut durchtränkte sein zerfetztes Hemd, während er noch ein paar Schritte weiterstolperte. Weitere Schüsse ertönten, die ihn in den Kopf und nochmals in den Rumpf trafen, bevor er schließlich zusammenbrach. Der junge Nachtmahr schwang triumphierend seinen Revolver durch die Luft. »Jetzt hat das Schwein, was es verdient«, jubelte er und sah sich beifallheischend nach seinem Vater um.
»Das war kaltblütiger Mord!« Fritz’ Stimme bebte. Er hatte Mühe, seine Fassung zu behalten. Nachtmahr sah ihn kalt an.
»Mein Junge hat einen Flüchtenden erschossen«, sagte er ohne jede Rührung. »Das wird den anderen eine Warnung
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