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Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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der Küche fragen?«
    »Nein, geh ruhig nach Hause, warst lange genug auf den Beinen.«
    Der Kutscher riss sich die Mütze vom Kopf. »Danke, Herr. Ein’ schön’ Abend auch.«
    Wolfgang nickte. Dann stieg er langsam die Freitreppe hinauf und unterdrückte dabei ein schlechtes Gewissen, denn Cäcilie hasste es, wenn er zu spät kam und die Gäste warten ließ.
    Im Vestibül war jedoch alles ruhig. In der Garderobennische hingen keine fremden Mäntel, und in der Silberschale auf der kleinen Nussbaumanrichte lagen keine Visitenkarten. Nur die Blumen in einer Vase verloren mit einem zarten Geräusch die ersten Blütenblätter. Und doch brannten alle Petroleumlampen. Sogar der schwere Deckenlüster war mit frischen Kerzen bestückt und malte Schatten an die Wände. Aus der Küche, deren Tür offen stand, drang nicht das kleinste Geräusch. Im Herd glomm ein Feuerrest, die kupfernen Töpfe, Kessel und Pfannen hingen blank geputzt an ihrem Gestell, der schwarz-weiß geflieste Boden war sauber gewischt, der Holztisch mit Sand gescheuert.
    Wolfgang beruhigte sich ein wenig. Lag die Küche verlassen, dann gab es keine Gesellschaft, und er hatte folglich nichts verpasst.
    Überhaupt herrschte im Haus eine so ungewohnte Stille, dass Wolfgang von Zehlendorf nun doch eine dunkle Ahnung überfiel. Meist waren die Kinder zu hören, die irgendwo im Haus spielten, oder die Dienstmägde, welche die letzten Arbeiten des Tages verrichteten. Heute aber hörte Wolfgang keinen Laut. Das Haus lag still. Totenstill. Ob etwas passiert war? Er spürte sein Herz rascher schlagen. War jemand erkrankt? Hatte es einen Unfall gegeben?
    Er öffnete die Tür zum Salon und fand seine Frau auf einer der beiden dunkelroten Récamieren. Sie hatte die Füße angezogen und hielt sich eines der Kissen vor den Bauch. Auf einem kleinen Tisch neben ihr stand das Fläschchen Laudanum.
    Cäcilie war sehr blass, beinahe schon durchsichtig. Schon immer hatte ihr Anblick Wolfgang den Atem geraubt. Selbst nach über sieben Jahre Ehe konnte er es nicht fassen, dass ausgerechnet diese schöne Frau sich in ihn verliebt hatte. Sie trug ihr volles braunes Haar zu einem kunstvollen Knoten aufgesteckt, das schmale Gesicht mit den griechischen Zügen war nun von Dunkelheit überschattet. Unter der edlen Nase zitterte der volle Mund ein wenig, als ob Cäcilie nur mühsam einen Schrei unterdrücken konnte. Ihre schiefergrauen Augen glänzten, und die Lider waren geschwollen.
    Wolfgang eilte auf seine Frau zu, kniete sich vor ihr auf den Boden und griff nach ihrer Hand. »Zilchen, was ist?«, fragte er. Sanft strich er über ihren Arm. So schwach und verletzlich hatte er sie noch nie gesehen. Ihr Anblick schmerzte ihn. »Was, in aller Welt, ist geschehen?«
    Cäcilie öffnete den Mund, doch die Worte erstarben ihr auf der Zunge. Schließlich schüttelte sie den Kopf und läutete mit einer Glocke nach Ilme.
    Die Haushälterin kam, nahm ihrem Herrn den Hut und den Mantel ab. Sie tat dies mit einem Seufzen, ohne wie üblich zu lächeln oder ihn zu begrüßen.
    »Jetzt sagt mir endlich, was hier los ist«, verlangte der Freiherr. »Euren Blicken nach zu urteilen, ist jemand gestorben.«
    »So ist es auch«, hauchte die Freifrau. »Ilme, erzähle du ihm alles. Ich … ich fühle mich zu schwach dafür.«
    Die dicke Haushälterin trat von einem Bein auf das andere. »Nu, wie soll ich anfangen?«
    »Am besten mit dem Anfang«, erwiderte Wolfgang von Zehlendorf. »Setz dich hin dabei.«
    Ilme ließ sich auf der vordersten Stuhlkante nieder, in den Händen knüllte sie ein Putztuch. Sie senkte den Blick, dann begann sie zu sprechen: »Herr, een Unjlück ist passiert. Die Tante, unsere gnädige Freifrau Camilla, sie ist tot. Aufjebahrt liejt sie, drüben, im kleinen Salon. Die Totenwäscherin wird wohl jleich kommen.«
    »Oh, das ist wahrhaft traurig«, erklärte Wolfgang von Zehlendorf. Er erhob sich und goss sich an der kleinen Bar einen Wodka ein. »Du auch?«, fragte er die Haushälterin. Deren Blicke huschten zur gnädigen Frau, die mit geschlossenen Augen auf der Récamiere lag.
    »Nu, auf den Schreck.« Ilme streckte die Hand aus.
    Als beide getrunken hatten, sagte Wolfgang: »Das ist schade, wirklich jammerschade. Die gute Camilla. Fast neunzig Jahre lebt so ein Mensch, und doch kommt sein Tod unverhofft. Na ja, man hätte es wohl erwarten können.«
    »Das … das ist noch nicht alles«, murmelte Ilme.
    »Was denn noch?«
    Stumm streckte die Haushälterin ihrem Herrn das

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