Sehnsuchtsland
aufdrängen, nicht gegen seinen Willen...«
»Wir müssen endlich aufhören, uns was vorzumachen. Wir würden alle nur unglücklich werden. Am meisten das Kind.«
»Und wenn er es nicht will?«
»Gib ihm doch eine Chance! Wenn er dich wirklich liebt, wird er auch das Kind lieben!«
Zaghafte Hoffnung keimte in ihren Augen auf. Sie schluckte heftig, und zum ersten Mal hatte Henrik an diesem Tag das Gefühl, es könne sich vielleicht doch noch einiges zum Guten wenden.
Sie rieb sich die Tränen von den Wangen. »Und Papa? Und die Werft?«
»Das wird sich alles finden«, versicherte er. »Davon bin ich überzeugt.«
Sie schaute ihn lange an, dann wandte sie den Blick hinaus auf Meer. Stumm nahm sie seine Hand und hielt sie für ein paar Augenblicke fest, und Henrik spürte, dass dies zwischen ihnen der endgültige Abschied war.
*
Lennart wusste nicht recht, was er zu der ganzen Geschichte sagen sollte. Nicht, dass er es nicht schon die ganze Zeit geahnt hätte. Henrik war viel zu ernst gewesen für jemand, der Vaterfreuden entgegensah, und Gunilla hatte schon den ganzen Tag ausgesehen wie das heulende Elend.
Immerhin hatte sie die Courage besessen, zu ihm zu kommen und es ihm zu sagen. Dass dieser verdammte John Borman der Vater war und dass sie wahrscheinlich doch in London mit ihm leben würde, vorausgesetzt, er wollte sie und das Kind, wovon sie allerdings unter den gegebenen Umständen nicht unbedingt ausgehen könne. Lennart hatte einen markigen Fluch unterdrückt, und dann hatte er sie auf der Stelle gezwungen, den Kerl anzurufen und für klare Verhältnisse zu sorgen. Zuerst hatte sie ihn verblüfft angeschaut und nach Gegenargumenten gesucht, doch er hatte ihr nur wortlos den Telefonhörer hingehalten. Sie hatte eine Nummer gewählt, ein paar leise Worte gesagt und war ein paar Augenblicke später in Tränen ausgebrochen. In Freudentränen, wie er zu seiner Erleichterung sofort erkannte. Verheult, aber überglücklich war sie ihm in die Arme gefallen und hatte ihm schluchzend erklärt, wie lieb sie ihn hätte und dass John tatsächlich gesagt hätte, das mit dem Kind wäre für ihn okay.
Dieser flapsige Ausdruck war Lennarts Meinung nach zwar völlig unpassend für die gegenwärtige Lage, aber es gab Schlimmeres. Die Richtung war es, die zählte, und die jedenfalls schien bei den beiden zu stimmen.
Wie es aussah, würde damit zumindest bei Gunilla alles in Ordnung kommen, wenn auch ein paar andere wichtige Familienangelegenheiten noch weit davon entfernt waren, geklärt zu sein.
Dieser Gedanke war ihm kaum in den Sinn gekommen, als plötzlich die Tür aufflog und seine jüngere Tochter hereingestürmt kam. Mit Riesenschritten marschierte sie auf das Sofa zu, auf dem er zusammen mit Gunilla saß. Allerdings nahm sie ihn überhaupt nicht zur Kenntnis. Ihr ganzes Augenmerk galt ihrer Schwester. Hoch aufgerichtet und die Hände an den Seiten zu Fäusten geballt, blieb sie vor Gunilla stehen.
»Ich kann das nicht«, stieß sie hervor. »Ich kann so einen Fehler nicht noch einmal machen! Ich liebe Henrik! «
»Ja«, sagte Gunilla bereitwillig.
»Du liebst ihn nicht!«, rief Linda erregt. »Schon lange nicht mehr! Lass ihn gehen! Henrik und ich, wir gehören zusammen!«
»Ich weiß«, sagte Gunilla leichthin. Lennart sah den Schalk in ihren Augen blitzen, aber Linda war so in ihre eigene kleine Ansprache vertieft, dass sie nichts davon bemerkte.
»Ich werde um ihn kämpfen!«, teilte sie Gunilla mit. »Zumindest versuchen muss ich es!« Dann stutzte sie. » Was hast du gerade gesagt?«
»Ich weiß, dass du ihn liebst, und ich weiß, dass er dich liebt.« Gunilla grinste breit. »Und ich weiß, dass ich nach London gehen werde.«
Lindas Miene spiegelte fassungslose Erleichterung, die jedoch augenblicklich reinem Argwohn wich. »Bist du sicher, dass du nicht in vier Wochen wieder vor der Tür stehst?«
Gunilla stand auf und ging auf Linda zu. »Ich weiß, wo mein Platz ist«, sagte sie. »Beim Vater meines Kindes.«
Lennart sah das Begreifen in Lindas Augen. Stumm starrte sie ihre Schwester an, die ihren Blick ein wenig reumütig erwiderte. Doch dann ergab sie sich widerspruchslos Gunillas herzlicher Umarmung.
»Ich wünsche dir, dass du mit Henrik glücklich wirst«, sagte Gunilla. »Ich soll dir übrigens sagen, dass er auf dich wartet. Er meinte, du wüsstest schon, wo du ihn finden kannst...«
Linda gab einen kleinen Seufzer von sich, der Lennart durch und durch ging. Lächelnd schaute er zu,
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