Sehnsüchtig (German Edition)
tröstend.
„Ja, falls ich solange überlebe ...“ Mascha greift nach ihrem Espresso. „Das ist mein achter heute ...“
„Du spinnst“, hält Alys fest.
„Vielleicht“, entgegnet Mascha. „Und was ist mit Janosch?“
„Ich hab ihn endlich gefragt ...“
Mascha beugt sich etwas nach vorn. Neugier glimmt in ihren Augen auf. Und der rosa Hauch auf den Wangen, ist das von der Kälte draussen oder doch vor Eifer? Mascha liebt es, Klatsch und persönliche Angelegenheiten ihrer Freunde bis in die letzten Einzelheiten zu bereden. Sie ist aber – obwohl ein Wirbelwind in Miniaturform, ungeduldig, rastlos und immer auf dem Sprung – eine gute Zuhörerin. Genau das liebt Alys an ihrer besten Freundin. Ihre Widersprüche, ihr grosses Herz und ihre unerschütterliche Loyalität.
„Du hast ihn vor die Wahl gestellt ...“ Das klingt begeistert. „Nicht direkt“, winkt Alys ab. „Ich habe ihn gefragt, was er eigentlich will. Ob es eine Chance gibt, dass uns aus mehr wird als das was wir jetzt sind. Ich wollte endlich wissen, was Sache ist. Ob ich mich über die Schmetterlinge im Bauch freuen soll, oder ihn abhaken muss, bevor ich mir wieder das Herz brechen lasse ...“
„Und?“ Mascha zieht das Wort in die Länge, streckt es, soweit es geht. Alys nimmt einen grossen Schluck Kaffee. „Es kamen die üblichen Ausreden, die ich schon x-mal gehört habe, ‚du bist toll, ich mag dich, aber ich habe so viel um die Ohren, ich kann mir gerade keine Beziehung vorstellen, aber wir haben es doch gut, mach uns doch keinen Druck, lass uns einfach so weitermachen und sehen, wo es hinführt. Ich kann dir nichts versprechen, aber vielleicht irgendwann’ ...“
„La, La, La“, macht Mascha.
Alys lächelt eine Spur gequält. „Genau. La, La, La“.
„Du hast ihn hoffentlich im hohen Bogen rausgeworfen ...“
„So bin ich nicht. Weisst du doch.“
Der Ausdruck auf Maschas Gesicht ist liebevoll. „Ja, das weiss ich. Du bist viel zu lieb.“
„Leider stehen Männer nicht auf lieb und unkompliziert, jedenfalls nicht die, denen ich bis jetzt begegnet bin.“
„Du hast ihn also nicht rausgeschmissen. Sag mir wenigstens, dass du ihn nicht einfach weitermachen lässt wie bisher ...“
„Nein. Ich hab mich bisher nicht wieder gemeldet.“
„Immerhin“, sagt Mascha. „Und er?“, will sie wissen. Alys zückt ihr Handy, öffnet seine letzte Nachricht und hält sie Mascha unter die Nase. „Morgen Abend?“, liest Mascha. „Das ist alles? Morgen Abend?“
Alys unterdrückt einen Seufzer, nickt und steckt das Handy wieder in die Manteltasche.
„Er ist ein Idiot! Hab ich’s nicht schon immer gesagt?!“, hält Mascha fest.
„Doch, das hast du ...“
„Und was willst du jetzt tun?“
Alys nimmt noch einen Schluck Kaffee und blickt über Maschas Schulter ins Leere. „Ich weiss es nicht“, sagt sie dann.
„Gebrochenes Herz?“, fragt Mascha und legt ihre Hand auf Alys’. Alys schüttelt den Kopf. „Seltsamerweise nicht. Natürlich war ich enttäuscht.“ Sie spürt dieses bittere Gefühl wieder im Magen zirkulieren. „Aber ich habe es viel leichter genommen als ich dachte. Vielleicht, weil ich es schon geahnt habe. Vielleicht weil so viel anderes los ist zurzeit ...“
„Nicht wie bei Nils, wo du dir monatelang die Augen ausgeweint hast ...“
„Nein, nicht so schlimm. Ich muss dir übrigens etwas erzählen, das wirst du nicht glauben ...“
Mascha scheint den letzten Satz nicht wirklich gehört zu haben, denn sie kramt jetzt in ihrer sündhaft teuren Balenciaga-Tasche. Sie hatte sich mehrere Monate nur von Teigwaren und Tomatensauce ernährt, um sich das Designerstück leisten zu können. Mascha, die Modeverrückte. „Ich hab etwas für dich, das wird dich aufmuntern!“
„Weihnachten ist doch noch gar nicht“, sagt Alys und greift nach der kleinen Geschenkschachtel. Sie ist stilvoll und liebevoll ausgesucht, typisch Mascha eben. Himmelblau mit roten Punkten darauf, eine rote Schleife darum.
„Danke!“
„Mach es schon auf ...“, drängt Mascha. Alys lächelt. Da ist sie wieder, die Ungeduld. Sie löst die Schleife und hebt den Deckel ab. In der Schachtel liegt ein Fotorahmen aus schwarzer Pappe, mit Silberstift beschrieben in Maschas kunstvoller Schrift. Alys’ Blick fällt auf das Foto. Da ist ihr eigenes Gesicht, blaue Augen unter dem akkurat geschnittenen dunklen Pony, das Kinn, das sie etwas zu eckig findet. Auf den wie immer rot geschminkten Lippen liegt ein Lächeln, das beinahe
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