Sehnsüchtig (German Edition)
der Schuhspitze aus. Du kannst das.
Noch fünf Minuten. Gut. Jetzt kannst du anrufen. Fünf Minuten zu früh ist professionell und zeigt, dass sie wirklich Interesse hat an dem Auftrag. Und wie ich das habe . Sie studiert ihr Spiegelbild im schwarzen Display des Handys. Der rote Lippenstift ist noch da wo er hingehört. Noch etwas, dass ihr Selbstsicherheit verleiht. Das Haar ist auch ordentlich.
Alles klar. Ruf an.
In ihrer Magengegend flattert etwas. Sie strafft ihren Rücken und sucht seine Nummer heraus. Drückt entschlossen auf den Namen und die Luft aus ihren Lungen. Das Freizeichen ertönt, einmal, zweimal. Nach dem vierten Mal hebt er ab. „Wagner.“
Seine Stimme. Das nervöse Etwas im Bauch flattert heftiger. „Guten Tag, da ist Alys Allenbach. Ich bin da.“
„Moment, bin gleich unten ...“ Er klingt freundlich. Dann legt er auf. Alys streicht sich das Haar aus dem Gesicht. Fixiert die Tür, einen hoffentlich ruhigen Ausdruck auf dem Gesicht. Warum bist du nur so nervös?
Im gleichen Moment öffnet sich die Tür schwungvoll. Eliot Wagner tritt an die Sonne. Er sieht genauso aus, wie sie in Erinnerung hatte. Das fehlende Scheinwerferlicht tut seiner Erscheinung keinen Abbruch. Wie hatte Mascha es genannt? Dieser raue Sexappeal . Den strahlt er auch heute aus, auch wenn sein Haar noch wilder ist als im ‚Mon Amour’. Vielleicht hat er die Angewohnheit, es sich zu zerwühlen. Die Augen scheinen ihr im Tageslicht noch dunkler. Wie damals sind sie freundlich.
„Hallo, schön sind Sie da ...“ Er kommt zwei Schritte auf die Strasse hinaus. „Hallo“, erwidert Alys, „ich freue mich, hier zu sein.“ Plötzlich beruhigt sich ihr Puls. Vielleicht liegt es an seinem Lächeln. Dann bleibt er stehen. Er scheint zu überlegen. „Verzeihung, aber wir kennen uns von irgendwoher ...“
Er betrachtet ihr Gesicht als versuche er, es einzuordnen, irgendwie wird ihr unter diesem Blick seltsam. „Ich war vorletzte Woche an Ihrem Konzert im ‚Mon Amour’. Eine Freundin wollte ein Foto und ein Autogramm. Da sind wir uns begegnet.“ Zwei, drei Sekunden verstreichen. „Natürlich“, sagt er dann. „Ich erinnere mich. Klein und blond, bildhübsches Gesicht. Sie waren beide vor der Bühne.“
„Genau, das war Mascha.“ Bildhübsches Gesicht. Alys lächelt. Wenn Mascha das hört, wird sie an der Decke schweben. Er kommt noch einen Schritt näher. „Soviel ich mich erinnere, haben wir auch ein Foto zusammen gemacht.“ Er lächelt. Alys schluckt und nickt dann.
„Sie waren das Mädchen mit den ängstlichen Augen ...“ Er erinnert sich daran. Er erinnert sich an mich. Irgendwie hält sie seinem Blick stand. Dann lacht er erneut. Leise, dunkel und kehlig. „Die Welt ist wirklich klein.“ Er streckt seine Hand aus. „Ich bin Eliot. Lassen wir das ‘Sie’ und das ‘Herr’ weg ...“
Sie greift nach seiner Hand. Seine Finger sind schmal aber kräftig. Musikerhände. „Alys“, sagt sie. Er lächelt und sie lächelt zurück. Dann lässt er ihre Hand los. „Lass uns nach oben gehen ...“
Er hält ihr die Tür auf. Sie steigen die Treppe hinauf. Die Treppe passt zum alten Haus. Eine Wendeltreppe, die Steinstufen ausgetreten, Handlauf aus Metall, der sich beruhigend kühl an ihrer Haut anfühlt. Sie folgt Eliot und versucht, nicht zu lange auf seinen Hintern zu starren. Er trägt einen schwarzen Blazer über einem schwarzweiss-karierten Hemd und schwarze Röhrenjeans, wie damals im ‚Mon Amour’. Der Hintern ist definitiv nicht zu verachten. Keine Chucks diesmal, sondern schwarze Halbschuhe aus geprägtem Leder. Sein Atelier befindet sich im vierten Stock.
*
„So, da sind wir“. Er hält ihr die Tür auf und bittet sie hinein. Sie blickt sich um, dann bleibt ihr Blick an einem Konzertplakat hängen, sie legt den Kopf ein wenig schräg und betrachtet es. Ihre blauen Augen scheinen sich jedes Detail auf dem Plakat zu merken. Die Augen einer Grafikerin. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht ist ruhig, das war ihm als erstes an ihr aufgefallen. Ihr Gesicht verrät in keinem Moment, was sie denkt. Ihr Auftreten ist souverän, ihr Verhalten freundlich, aber zurückhaltend. Sie strahlt Ruhe aus und eine gewisse Ernsthaftigkeit.
„Kaffee?“, fragt Eliot. Alys Allenbach dreht sich zu ihm um. „Gerne, wenn es keine Umstände macht.“ Ihre Stimme ist dunkel für eine Frau. „Wie trinkst du ihn?“
„Milch, kein Zucker. Danke sehr.“ Selbst ihr Lächeln ist ruhig. Falls sie nervös ist, lässt
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