Sehnsüchtig (German Edition)
schon, etwas, was die Luft flimmern lässt. Ausserdem ist der Mann ein verdammter Rockmusiker. Ich glaube dir nicht, dass du da widerstehen könntest ...“
„Natürlich könnte ich das!“
Mascha grinst. „Bist du sicher? Du siehst ziemlich hingerissen aus auf dem Foto“. Sie tippt mit dem Finger auf die Geschenkschachtel als enthielte sie den ultimativen Beweis.
„Er ist auch ziemlich hinreissend ...“, gibt Alys zu.
„Eben.“
„Aber er will ein CD-Booklet, nicht mich.“
„Wer weiss das schon? Du bist jung und attraktiv ... Mach nicht so ungläubige Augen! Du bist auf ungewöhnliche Art schön und etwas sagt mir, dass Eliot Wagner nicht auf 0815-90-60-90-Wimperklimper-Tussischön abfährt, auch wenn ganz viele solche Mädchen Schlange standen im ‚Mon Amour’ ...“
„Selbst wenn das stimmt ...“
„Er hat mit dir geflirtet von der Bühne herab. Das Mädchen mit den ängstlichen Augen’, schon vergessen? ‚Komm her’ und ’Du musst schon etwas näher kommen’? ...“
„Wenn das so wäre, dann wäre das schmeichelhaft“, hält Alys fest.
„Es war so ...“
„Vielleicht. Die Frage stellt sich trotzdem nicht. Ich fange nichts mit Kunden an. Und mit vergebenen Männern schon gar nicht. Er ist seit Jahren liiert und hat ein kleines Kind ...“ Mascha legt den Kopf etwas schräg. „Echt? Ich hätte ihn für den Supersingle-Rockstar gehalten, der bei den Groupies emsig zugreift ...“ Alys schüttelt den Kopf. „Er hat seit Jahren die gleiche Freundin und sie haben ein Kind.“
„Was ihn nicht notabene treu und brav macht. Aber woher weisst du das überhaupt?“
„Ich hab ihn recherchiert. Für den Auftrag. Interviews gelesen und so.“ Ihre Wangen fühlen sich wieder warm an und sie fragt sich, ob Mascha es sehen kann. „Schon klar, für den Auftrag ...“, feixt sie. Sie kann es also sehen.
„Hör auf damit, Mascha!“ Alys verbirgt ihr schmollendes Gesicht hinter der Kaffeetasse. „Schon gut. Wenn er wirklich eine kleine Familie hat, war das eine blöde Idee von mir. Wobei das anderen Frauen schwer egal wäre.“
„Genau, es war allerdings eine blöde Idee. Und ich bin nicht wie andere.“
Mascha hebt ihr Glas. „Anyway, lass uns endlich anstossen. Auf den Auftrag, den du dir holen wirst. Auf Eliot Wagner, den du dir nicht holen willst.“
„Auf Eliot Wagner“, pflichtet Alys ihr bei. Die Gläser klirren vielversprechend.
GANZ SCHÖN ANGETAN
Ihre Uhr will sie offensichtlich ärgern. Alys wirft einen weiteren Blick auf das Ziffernblatt. Die Zeiger schleichen heute nur so phlegmatisch über die Zahlen. Noch 10 Minuten.
Natürlich ist sie viel zu früh. Seit einer Viertelstunde steht sie vor dem Haus in der Altstadt, in dem sich Eliot Wagners Atelier befindet. Das Haus gleicht all den anderen, die hier seit Jahrhunderten stehen. Sandsteinfassade, sechs Etagen hoch, blaue Fensterläden, das Sonnenlicht funkelt in den sauber geputzten Fensterscheiben. Viele Künstler haben hier in der Altstadt ihre Ateliers, Musiker, Maler, auch der eine oder andere Grafiker ist darunter, man braucht Beziehungen, um hier unterzukommen.
Die Sonne scheint zwar, aber es ist immer noch kalt. Alys streift sich einmal mehr etwas Schneematsch von den Absätzen ihrer schwarzen Stiefeletten. Die Absätze sind nicht so hoch wie jene, die Mascha trägt, aber sie verleihen Selbstsicherheit und machen sie etwas grösser als ihre 1.71. Sie mag das Geräusch der Absätze auf den Pflastersteinen der Altstadt, das Hier-komme-ich-Gefühl . Nicht, dass sie sich heute unbedingt so fühlt. Sie kann sich nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal so nervös war vor einer Besprechung mit einem potentiellen Kunden. Sie hat nur wenig geschlafen letzte Nacht. Zum Glück lassen sich Augenringe überschminken.
Sie steckt sich eine weitere Zigarette zwischen die Lippen und lässt das Feuerzeug klicken. Soviel raucht sie normalerweise nie an einem Tag. Das Rauchen mag eine blöde Angewohnheit sein, aber es beruhigt sie, wenn sie viel arbeitet oder nervös ist. Jedesmal. Ihre Finger greifen nach dem Handy in der Manteltasche. Heute Morgen war eine Whatsapp-Nachricht gekommen. ‚Eliot Wagner’, meldete das Handy und ihr Herz schlug plötzlich schneller.
Guten Tag, ich habe vergessen, zu erwähnen, dass ich keine Klingel habe. Rufen Sie mich einfach an, wenn Sie vor der Tür stehen. Bis gleich.
Sie raucht die Zigarette zu Ende. Noch sieben Minuten. Sie lässt den Stummel fallen und tritt ihn entschlossen mit
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