Sei lieb und büße - Thriller
Natürlich. Dieses kleine Biest. Wühlt in meinen Sachen und zeigt fremden Leuten meinen Blinddarm.
»Glaubst du mir jetzt?«, frage ich Max. Er nickt langsam, doch seine Haltung ist genauso misstrauisch wie vor fünf Minuten.
»Und wieso denkst du, dass Sina in Gefahr ist?«
»Sie ist der wahren Cruella zu nah gekommen. Laureen und Bessy«, füge ich erklärend hinzu. »Ich bin mir sicher, dass sie Sina über BabyG zum Schweigen bringen wollten. Das war unser Plan: Sie sollte sich unglaubwürdig machen mit all ihren Behauptungen. Aber jetzt haben sie etwas anderes vor. Sie haben bei BabyG alle Einträge über Sina gelöscht.«
Max schließt die Wohnungstür. Leise und bestimmt, als hätte er entschieden, mir zu vertrauen. Ich atme heimlich auf.
»Und was ist deine Rolle dabei?«, fragt er.
»Das ist eine lange Geschichte, dafür haben wir jetzt keine Zeit!«
»Fass dich kurz.«
An seinen verschränkten Armen erkenne ich, dass er nicht nachgeben wird. Ich seufze entnervt. »Also gut. Ich wollte Mia bestrafen, Laureen und Bessy haben mir geholfen, dann hat die Sache sich verselbstständigt, nachdem Laureen und Bessy das Video hochgeladen haben. Und dann war Mia tot und wir drei haben Schiss bekommen. Laureen hat Cruella auf Facebook gelöscht und das Filmchen von Youtube runtergenommen. Als schließlich Mias Eltern Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt haben, konnte niemand mehr nachvollziehen, wer was wann getan hat. Wir haben einen Pakt geschlossen und uns geschworen, Stillschweigen zu bewahren. Auch wenn nicht ich die MMS verschickt und das Video auf Youtube gestellt habe, ich habe Laureen und Bessy aufgefordert, Mia leiden zu lassen. Ich trage genauso Schuld an ihrem Tod. Reicht das?«
»Und woher der plötzliche Sinneswandel?«
»Sie hätten Rik nicht töten dürfen. Wir hatten ausgemacht, ihn nur zu warnen. Ich weiß jetzt, dass sie immer weitermachen werden.«
»Sina ist also in Gefahr?«, fragt Ben und ich sehe, dass er blass geworden ist.
»Wir werden ihr helfen«, sage ich und hoffe, dass es die richtige Antwort ist.
»Dazu müssen wir sie erst einmal finden«, meint Max düster.
»Manchmal hinterlässt sie in der Küche eine Notiz, wo sie hingeht.« Ben läuft in die Küche, Max und ich folgen ihm.
»Nein. Nichts.« Enttäuscht dreht Ben sich zu uns um und zeigt auf die Arbeitsfläche neben dem Kühlschrank. »Da würde sie sonst liegen.«
»Hast du Sina schon angerufen?«, fragt Max plötzlich.
Ich nicke. »Mailbox.«
Ben tippelt aufgeregt zur Spüle. »Sie muss es sehr eilig gehabt haben.«
»Wie kommst du darauf?«, fragt Max.
»Sie hat ihren Kaffee nicht ausgetrunken und sie hat die Tasse nicht weggeräumt. Das macht sie sonst nie. Und sie hat telefoniert.« Er angelt sich das Telefon vom Tisch. »Ich habe das Telefon heute früh auf die Ladestation gestellt.«
Max nickt anerkennend. »Hervorragende Beobachtungsgabe.« Er nimmt Ben das Telefon ab, studiert das Display und ruft das Anrufprotokoll auf.
Ich stelle mich hinter ihn, um besser sehen zu können. »Verpasste Anrufe«. Eine Liste mit Namen erscheint. Er zeigt sie Ben.
»Die sind von gestern. Bis auf den Anruf von Adrian, aber das verstehe ich nicht, denn Adrian und ich waren doch zusammen in der Schule.«
»Das war ich, Doo…« Ich besinne mich eines Besseren. Ben ist nicht Adrian. Ihn muss ich nicht wie einen Idioten behandeln.
Max drückt auf »Gewählte Nummern«. Wieder erscheint eine Liste. Ich halte den Atem an. Die letzte Nummer ist mir bekannt. Laureens Handy.
»Sie hat mit Laureen telefoniert«, sage ich mühsam. »Und jetzt ist sie weg und ihr Rad ist noch da. Laureen muss sie mit dem Auto abgeholt haben. Schlimmer könnte es nicht sein.«
67
»Ist das die Straße zum Kremelwald hoch?«
»Ja. Warst du hier noch nie?«, fragt Laureen.
»Nein.« Gebannt schaut Sina aus dem Fenster. Dunkle Tannen säumen auf beiden Seiten die kurvige, steile Straße, werfen ihre Schatten auf den unebenen Teer. Sie versucht in den Wald hineinzusehen, doch er ist zu dicht. Nach wenigen Metern kann sie nur noch ein undurchdringbares Schwarzbraun erkennen. Irgendwo hier ist die Unfallstelle.
»Mich würde interessieren, wo Rik seinen Unfall gehabt hat«, murmelt sie.
»An der übernächsten Kurve.«
Sina wendet sich perplex zu Bessy um. »Woher weißt du das?«
»Das ist der einzige Streckenabschnitt, wo er mit dem Kopf gegen eine Betonmauer geknallt sein kann.«
»Ist er das denn?« Sina versucht sich daran zu erinnern,
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