Sei mein Moerder
sollen wir uns eine Pizza bestellen?«
»Mal sehen.« Noch immer mechanisch. Stumpf und ohne Glanz.
»Du hast hier viel Arbeit reingesteckt«, sagte Mark und bewunderte den schönen Garten. Sie hatte Gartenarbeit immer gehasst, doch dieser, ihr eigener Garten, blitzte und blühte noch immer.
»Ja.«
»Mama ist eine Supergärtnerin geworden«, sagte Marlies.
»War sie schon immer«, lächelte Mark. »Ihr fehlte nur der richtige Garten, einer, der ihr gefiel.«
Gabi blickte ihn an, als staune sie über sein Verständnis.
Mark hatte unzählige Männer und Frauen erlebt, die durch eine Trennung traumatisiert wurden. Was dann zählte, war die Vergangenheit, und zwar die der üblen Art. In jeder Beziehung gab es Tiefen, und die wurden wichtig, interessant, waren der Fels, an dem man sich festhielt, der dem Partner Rückhalt gebot. Doch letztendlich bestand eine Beziehung auch aus schönen Zeiten, wunderbarer Gemeinsamkeit, großen Erlebnissen und Vorkommnissen, in denen jeder der Partner Tapferkeit bewiesen hatte. Das galt nicht mehr. Es war Selbstschutz, um nicht verrückt zu werden.
Viele seiner Kollegen schürten das in endlosen Sitzungen. Sie forderten vom Klienten, dass er Hass entwickele, sogenannten gesunden Zorn, um die Trauer zu überwinden. Das war unverantwortlich, denn Hass und Zorn waren niemals gesund und stets destruktive Gefühle, die letztendlich auf den Klienten zurück wirkten.
Die wenigen, die ihre vergangene Beziehung im milden Kerzenlicht betrachteten, dankbar waren für die vielen schönen Momente, trennten sich, ohne daran zu zerbrechen.
Eine Trennung war für viele wie der Tod des Partners.
Während seiner Arbeit hatte er gelernt, dass Paare, die am engsten gelebt hatten, nach dem Tod des Partners am meisten litten. Es waren stets jene Paare gewesen, die sich nicht offenbart hatten. Sie litten darunter, dem andern nicht gesagt, gezeigt zu haben, was sie wirklich empfanden, wozu es nun zu spät war. Sie hatten in einer Form der Harmonie gelebt, die nie wirklich existiert hatte.
Diejenigen, die offen, frei, autark und dennoch intensiv ihre Zeit miteinander verbracht hatten, begrüßten auch den Tod, und wenn es vorbei war, blieb der Überlebende mit Zufriedenheit zurück, mit dem Gefühl, etwas so Schönes erlebt zu haben, das er nicht allzu lange betrauern musste, da die hellen Bilder überwogen.
Und wie war es mit ihm und Gabi?
Sie fühlten sich nach wie vor zueinander hingezogen. Sie wollten sich umarmen, doch keiner von ihnen fand den Mut dazu.
Mark drehte sich um und blickte Gabi direkt in die Augen. Ein weicher Blick, der seine Verletzbarkeit ausstrahlte. Er sagte. »Ich liebe dich. Ich liebe dich, solange ich lebe, und ich bin sicher, wir können alles wieder richtig machen.«
Er erwartete eine schnippische Antwort, doch vielleicht war es die Wahrhaftigkeit, die in seinen Augen und in seinen Worten lag, das Unverstellte, die Ehrlichkeit, denn Gabi antwortete: »Ja, das könnte sein.«
Marlies, die sich ins Wohnzimmer zurückgezogen hatte, kam zu ihnen. »Pizza?«
»Ja«, sagte Gabi und sie lächelte. »Bestell sie uns. Papa bleibt noch.«
Das Mädchen zückte sein Handy, Mark machte eine Kopfbewegung und Marlies verschwand.
»Riechst du es?«, fragte er.
»Den Duft des Herbstes?«, fragte Gabi.
»Ja.«
»Er ist die Hoffnung des Winters.«
Er lächelte und legte die Arme um sie. »Nachdem ich die Pizza gegessen habe, muss ich gehen. Ein wichtiger Termin, den ich nicht verschieben kann. Aber ich komme zurück. Wenn du willst. Nicht, damit wir reden, sondern, damit wir fühlen.«
Sie blickte ihn erstaunt an.
Bisher hatte er sich stets in Rationalität geflüchtet, reden, analysieren und Lösungen entwickeln, Dinge, die Frauen nicht wollten, da sie es lieber hatten, wenn ihnen zugehört wurde, ein Mann für sie da war. Sie benötigten keinen, der die Welt aus den Angeln hob, sondern einen Partner, der sie still und ohne wichtigtuerische Worte streichelte, beruhigte, liebkoste. Die sogenannte starke Schulter war nicht die eines Kämpfers, sondern die eines Mannes, der schwieg, zuhörte und begriff.
32
Mark würde Kussmund töten und erfahren, warum er ihm das angetan hatte.
Er würde Kussmund töten und trauern. Trauern, weil sie das ideale Paar der Dunkelheit gewesen waren. Er fragte sich, ob Kussmund ein Mann oder eine Frau war.
Männer ließen sich nicht töten.
Männer kämpften!
Vielleicht war alles nur eine Finte. Er sollte heute nicht filmen. Erwartete ihn
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