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Sei mein Moerder

Sei mein Moerder

Titel: Sei mein Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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befürchtete sie, beobachtet zu werden, dann ging sie in Gegenrichtung.
    Da Will in einer Einbahnstraße stand, war es ihm nicht möglich, ihr zu folgen.
    Er drehte dennoch und es ging gut. Niemand kam ihm entgegen.
    Nun lief sie, schnelle Schritte, als sei sie besorgt, einen Termin zu verpassen.
     

34
     
    Mark wartete am vereinbarten Treffpunkt.
    Er wartete auf die Wahrheit.
    In seinem Kopf überschlugen sich die Bilder.
    Wer, um alles in der Welt, würde begreifen, was es hieß, zu tun, was er getan hatte?
    Caffé! Er würde es begreifen.
    Mark erlebte das, was Mythologen eine Metamorphose nannten. Fast alle Kulturen kannten den Begriff, der ein Zeichen göttlicher Macht war, manchmal auch die Folge einer magischen Handlung. Hatte er diese Magie nicht gespürt, als er in Lydia Brandt eingedrungen war? Die Metamorphose war ein beliebtes Sujet in Märchen, in der Literatur, und sie war häufig das Ergebnis von Verwünschungen, von Bestrafungen. Er hingegen hatte die Göttlichkeit erlebt. Er hatte sich ergossen wie Zeus in seine Schwester Hera, vielleicht auch in Leto, die ihm Apollon gebären sollte.
    Ich bin Gott, ich bin ein Schöpfer, ein monotheistischer Gott, dem man nicht widerspricht! Ich bin alles! Ich bin der Beweger. Bin nicht allwissend, nicht so etwas, oh nein, aber stark. Sehr stark! Denn Stärke wächst nicht aus körperlicher Kraft, sondern aus Willen. Und mein Wille ist makellos. Klar und rein wie ein Spiegel, in dem ich mich sehe. In dem ich ...
    Mark erstarrte, denn er sah sich in diesem Spiegel.
    Ein Spiegel, nur vor seinen inneren Augen, und er erblickte den gutaussehenden Mann, den Erfolgsmenschen, und er schämte sich.
    Er schämte sich, schwach zu sein.
    Er schämte sich, dass er sich fürchtete.
    Eine Gestalt näherte sich seinem Auto.
     

35
     
    Will kurvte wie ein Besessener um den Block und suchte Janine. Er fand sie nicht. Wo war sie? Hier gab es keine U-Bahn-Station. Also musste sie zu Fuß gegangen sein. Oder hatte sie ein Taxi gerufen?
    Wieder gab er Gas.
    Wo bist du?
    Zeige dich!
    Will orientierte sich, fädelte sich in den Verkehr ein, dann sah er sie.
     

36
     
    Die Person kam zu Marks Auto.
    Bisher hatte er seine Opfer überwältigt, doch nun war das anders.
    Es handelte sich zweifellos um eine Frau. Seine Wünsche waren erhört worden. Er öffnete die Fahrertür, den Schocker in der Hand. Er stieg aus. Wartete auf die Waffe, auf den Schuss, auf die Kugel, die ihn töten würde.
    Sie blieb vor dem Auto stehen.
    »Tun Sie es!«
    »Was?«
    »Sie haben den Brief gelesen!«
    »Das muss nicht sein.«
    »Tun Sie es. Ich will es erleben. Ich will ertragen, was die anderen Opfer durchmachten.«
    Er setzte ihr den Schocker an den Hals und sie brach zusammen. Sie wurde nicht bewusstlos, konnte sich aber nicht mehr regen. Sie starrte ihn an. Zufrieden.
    Er verfrachtete sie in den Kofferraum. Danach sprang er in den Wagen und gab Gas.
    Er schlug mit den Handflächen aufs Lenkrad. Verdammt, er wollte sich nicht mehr entschuldigen, offenbaren, erklären, wollte nicht mehr verarscht werden. Er war ein freier Mann. Ein Mann, der wusste, was er tat. Und heute würde er alles erfahren, alles, was wichtig war, alles, was sein Leben ausmachte. Er würde die Metamorphose erleben, jenen winzigen Akt der Selbsterkenntnis. Und er würde lernen. Dinge, die er nie studiert hatte.
    Er war Gott!
    Und wer das nicht begriff, sollte leiden.
    Grausam leiden!
    Offenbar hat Gott, sofern es ihn gab, die einfachen Menschen geliebt, sonst hätte er sie nicht gemacht, aber man musste sich darüber klar sein, dass Gott die Menschen schuf, als er bereits müde war. Gott war und blieb ein Komödiant. Ein müder Gesell. Punkt und fertig!
    Ich verzeihe nicht!
    Ich liebe nicht!
    Ich bin ein Mörder!
    Er fuhr los, während die Frau im Kofferraum erwachte und still blieb. Abwartend.
    Sie wusste, was ihr bevor stand.
    Er huschte über Kreuzungen, übersah rote Ampeln, wollte nur noch ankommen, denn es war ein langer Weg bis in die Uckermark.

37
     
    Will parkte rechts, stieg aus und machte sich zu Fuß auf, um ihr zu folgen. So verschmolz er mit den Schatten. Sie sah ihn nicht.
    Nach einer Weile hielt sie inne, es sah aus, als suche sie etwas, dann schien sie es entdeckt zu haben, denn sie ging darauf zu.
    Ein Auto im Schatten. Will kniff die Augen zusammen. Eine Straßenlaterne beleuchtete den Ford schwach. Will kannte das Auto. Er hatte es oft genug auf dem Parkplatz vor dem LKA gesehen. Ein grüner Ford Taunus. Es

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