Sei schlau, stell dich dumm: Biographie
Würfelspielen, die ich mit sechs oder sieben Jahren schon unheimlich gut konnte. Uno ist eh klar, kann ja jedes Kind, aber auch MauMau, Kniffel, Meier und so weiter. Später natürlich auch ein bisschen Skat. Und Poker – »Texas Hold’em« (kein Strip-Poker, nur um hier irgendwelchen Missverständnissen vorzubeugen).
Als ich zwölf war, habe ich abends oft in der Kneipe gespielt, wenn ich auf Mama warten sollte. Da gab es einen Richter aus Ludwigshafen, mit dem ich immer Karten gezockt habe. Den habe ich, wenn er wieder gewonnen hatte, und das tat er oft, beschimpft. »Ey Mann, du bescheißt«, habe ich da zu ihm gesagt – und mich in selben Moment wahnsinnig geschämt. Das sagt man ja nicht zu einem erwachsenen Mann, schon gar nicht zu einem ehrenwerten Richter. Da hat er nur gelacht und gemeint: »Das bin ich gewohnt, das sagen die Leute den ganzen Tag zu mir.«
Der erste (feste) Freund
Damals wusste ich noch nicht, dass Männer mit Humor keine Selbstverständlichkeit sind. Meine Erfahrungen mit dieser Spezies musste ich erst noch machen. Fangen wir mit Michael an. Das war wohl das, was man Liebe auf den ersten Blick nennt. Ich war fast vierzehn, er fünfzehn Jahre alt. Mann, war ich verknallt! Der hatte gegelte Haare, fuhr Mofa und hing mit coolen Leuten rum. Seine große Clique hat mir am meisten imponiert. Die waren älter als ich, machten auf total abgebrüht – und kifften. Das war natürlich oberlässig. Und da wollte ich blödes Kätzchen logischerweise voll dabei sein. Um ihnen zu imponieren, habe ich auch gleich einen Zug vom Joint genommen – dämlicher Gruppenzwang. Hätte ich in der Kifferrunde Nein gesagt, wäre ich doch sofort raus gewesen.
Dabei ging es mir nicht nur um Michael, sondern auch um den Rest der Mannschaft. Ich wollte dazugehören. Schließlich waren wir grade umgezogen, ich also noch neu an der Schule und hatte entsprechend null Freunde.
Meine Mutter ist da so eine Art Gypsy. Wenn ihr irgendwas nicht passt und sie es nicht mehr aushält, werden einfach die Sachen gepackt und los geht’s. So war ich also in Wohnung Nummer fünf in Altrip (das ist am Ende der Welt gleich links) gelandet und kannte keine Sau. Da wohnten wir »Am Waldpark 1«, Erdgeschoss. Eine ganz grüne ländliche Gegend. Da willst du nicht mal tot über dem Zaun hängen. Außer einer großen Sauerkrautfabrik und der »Römerklause« am Ludwigsplatz (gern dort nach der Schule Pommes und Schnitzel gegessen, wenn ich genug Geld hatte – also circa zwei Mal im Jahr!) gibt’s da nichts. Echt spannend für einen pubertierenden Teenager wie mich.
Na ja, nun hatte ich Anschluss an Michaels Clique – oder war zumindest einen Zug weit davon entfernt. Ich steckte mir also die qualmende Tüte in den Mund und inhalierte: Aber, oh Gott: hust, keuch, würg! Ich dachte, ich kotze meinem Angehimmelten im nächsten Moment auf die Füße. Widerliches Zeug! Den Geschmack habe ich bis heute im Mund, wenn ich nur daran denke. Mir war mein Auftritt saupeinlich, und ich dachte schon: Tja, das war’s dann wohl mit Michael und mir. Irrtum. Ein paar Tage später haben wir uns wiedergesehen und mir war klar, sowas wie der blamable Rauch-Auftritt darf nicht noch einmal passieren. Also habe ich mir ordentlich Mut angetrunken – mit einem halben Glas Wein. Denn das reichte völlig, um ein verliebtes, gerade noch dreizehnjähriges Mädchen mutig genug für den ersten Kuss seines Lebens zu machen. Mein Liebesdrink: Weißweinschorle aus dem Tetra Pak.
Michael und ich saßen also auf einer Bank im Park. Na gut, war mehr eine zusammengeschusterte Grünanlage direkt vorm Friedrich-Fröbel-Kindergarten, mit wenig Bäumen, ein paar unfrisierten Büschen und verblühten Stiefmütterchen – aber in der Erinnerung klingt Park doch weitaus romantischer, denn viele große Liebesaffären beginnen schließlich im Park, oder? Ich denke an Julia Roberts und Hugh Grant in Notting Hill. Aber mein Michael war so wenig Hugh Grant wie ich Julia Roberts. Egal. Wenn schon Tetra-Pak-Besäufnis statt Champagner-Picknick, dann zumindest im Park.
Auf jeden Fall hockten wir uns da so im Schneidersitz gegenüber, ich ein bisschen angeschäkert und kicherig, als Michael auf einmal sagte: »Dann sind wir wohl jetzt zusammen.« Und bevor ich wusste, was er meinte, obwohl ich es mir ja die ganze Zeit so gewünscht hatte, beugte er sich zu mir nach vorne und drückte mir einen Kuss auf die Lippen. Komisch, wie man in solchen Momenten so komplett auf der Leitung
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