Seidene Küsse
Ungläubig sah sie ihren Mann an, der sie breit angrinste.
»Na? Überraschung gelungen?«, fragte er spitzbübisch.
Beschämt wollte sie wissen: »Wie bist du da rangekommen, Bernd?«
»Ich habe einen Auftrag erteilt, Anweisungen gegeben und bei Lieferung bezahlt«, war die selbstbewusste Antwort, die Alice jedoch immer noch nicht verstand.
»Du?«
Bernd zeigte mit der Fernbedienung auf den Bildschirm. »Die Stelle gefällt mir besonders gut.«
»Es tut mir so leid«, flüsterte Alice betreten.
»Nein, nein. Du hast wirklich Talent, Schatz.«
Während sie sich selbst beim Liebesspiel mit einem Dildo betrachtete, dämmerte Alice langsam, dass sie ihren Mann womöglich ganz schön unterschätzt hatte.
»Du hast das alles eingefädelt? Wie? Wieso?«
Alice wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.
»Weil ich hier jetzt mal andere Sait en aufziehen werde«, sagte Bernd bestimmt. »Und weil heute unser Hochzeitstag ist, fangen wir gleich damit an.«
Er stand auf und sah sie streng an. »Los, dreh dich um, du geiles Luder.«
Einen kurzen Augenblick sah ihn Alice verwirrt an. Dann gehorchte sie und reckte ihrem Mann willig ihr pralles Hinterteil entgegen. Beim Geräusch seines Reißverschlusses musste sie grinsen.
Stun den später la gen Ali ce und Bernd eng anein ander gekuschelt zwischen den Laken. Auf dem Boden vor dem Bett stapelten sich Plastiktabletts mit den Überresten eines Sushi-Mahls.
»Und? Wie geht’s jetzt weiter mit deiner Pornokarriere?«, fragte Bernd im Plauderton, als erkundige er sich nach der Gesund heit ei ner ent fernten Tante.
Alice strahlte ihn zufrieden an.
»Ich denke, ich weiß jetzt, bei wem ich eine Hauptrolle übernehmen möchte.«
Eiersuche
Diesmal sollte es so ein richlig schönes Familien-Osterfest werden.
Wie immer war Katja pünktlich auf die Minute mit allem fertig. Sie hatte eine Wagen la dung Lebensmittel eingekauft und hochgeschleppt, die Wohnung aufgeräumt, gründlicher als sonst geputzt und dezent dekoriert, den großen Esstisch festl ich gedeckt und alle Speisen angerichtet, die nicht frisch zubereitet werden mussten. Sie war früh aufgestanden und den noch aus geschlafen, frisch geba det, ra siert, ge cremt, duftend und hatte ein neues Outfit an, in dem sie sich schön
fühlte.
Nie würde Katja sich daran gewöhnen, dass der Rest ihrer Verwandtschaft chronisch unpünktlich und furchtbar chaotisch war.
Wie immer brach ihre momentan achtköpfige Familie wie ein Sturm über sie herein. Laut, tosend, ständig die Richtung wechselnd, alles durcheinanderwirbelnd. Aber diesmal kam nicht nur die ganze Meute mit Kindern, Hund, Tupperware und Birkenstock-Hausschuhen, sondern auch mit einer ziemlichen Über ra schung: Ro bert.
Von allen Menschen auf der Welt hätte Katja am wenigsten vermutet, ihn je wieder zu sehen.
Wie viele Tagebücher sie mit seinem Namen vollgeschrieben hatte … Robert. Ihre erste Liebe. Wenn sie ganz ehrlich war, ihre einzige herzerweichende Liebe bisher. Ihr Trennungsgrund: schlechtes Timing! Robert wollte damals hinaus in die Welt, raus aus ihrem verschlafenen Nest. Für Katja – noch ganz unschuldiges Landmädel – übertraf ein Leben ohne ihre Familie ihre Vorstellungskraft.
Er sah fantas tisch, aber voll kom men ver ändert aus. In der U-Bahn hätte sie ihn niemals wiedererkannt.
Seit ihrer Teenagerzeit – Katja war süße siebzehn, Robert neun zehn ge wesen – waren ihre Wege getrennt ver lau fen. Was ihm wohl so widerfahren war?
Alle rede ten durch ein ander, alle zerrten irgendwie an Katja. Nur Robert setzte sich still in eine Ecke an den Esstisch und betrachtete die ganze Szenerie, ohne mit einer Miene seine Gedanken zu verraten. So versunken in ihrer Routine waren sie alle, dass sie über ihn sprachen, aber nicht mit ihm.
»Er stand plötzlich im Edeka, so als wär’ nichts gewesen«, erzählte ihre Tante Rosa. »Nach fünfzehn Jahren! Steht der plötzlich im Edeka!« Ein amüsiertes Lächeln auf den Lippen war Roberts einzige Stellungnahme dazu.
»Ja, ich hab ihn halt gefragt, wie ’s ihm geht, und als er mir davon erzählt hat, hab ich gedacht: Der darf Ostern auf keinen Fall allein sein«, fuhr Rosa fort.
Es war Katjas erstes Ostern ohne Klaus, und sie hatte dasselbe von sich gedacht. Weihnachten und Sylvester hatte sie schon überl ebt, die nächst en Hürden wären ihr Geburtst ag und ihr gemeinsamer Jahrestag. Am Tag der Deutschen Einheit. So einen Tag konnte man nur schwer ignorieren. Einen Feiertag ohne
Weitere Kostenlose Bücher