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Seidene Küsse

Seidene Küsse

Titel: Seidene Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Leheta
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sinken. Alice folgte ihr mit zittrigen Knien. Ehe sie sich orientieren konnte, hatte der Regisseur schon Alices Mantel geholt und ihr hineingeholfen. Alice band den Gürtel fest um ihre Taille und nahm auf einem der Stühle vor dem Schreibtisch Platz, mit ihrer Handtasche auf dem Schoß. Wie eine alte Frau in der Straßenbahn. Sie öffnete die Tasche, holte ein Desinfektionstuch heraus und wischte sich damit sorgfältig die Hände ab.
    »Ausbaufähig, durchaus ausbaufähig«, sagte die Produzentin, und der Regisseur, der lässig auf der Kante des Schreibtischs hockte, nickte zustimmend. Nun wollte Alice so schnell wie möglich weg. Nur raus hier. Der Rest des Gespräches gab keinerlei Hinweis darauf, was für ein Vorstellungstermin hier tatsächlich statt gefun den hatte.
    Im Taxi fühlte sich Alice, als wäre sie aus einem Koma erwacht. Alle Bil der waren gelöscht, ihre anregen den Fantasien, das gerade Erlebte vergessen. Ihr einziger Gedanke galt ihrem Mann Bernd. Wie sollte sie ihm das nur beibringen?
    Doch dazu kam es gar nicht. Denn Bernd fragte sie nicht, und Alice erzählte einfach nichts. Die Zeitschriften, die er ihr weiterhin aufgeschlagen hinlegte, warf sie ungelesen in den Pa-piercontai ner. So beschränkte sich ihr Umgang mitein ander auf das Wesentliche, das einen reibungslosen Ablauf ihres Alltags gewährleistete. Nicht mehr, nicht weniger.
    Einen Tag vor ihrem fünfzehnten Hochzeitstag war Alice dann doch verunsichert. Jedes Jahr hatte er sie in ein neues Restaurant zum Candlelight-Dinner eingeladen, danach waren sie immer noch mit Freunden in eine schicke Bar gegangen, aber bis jetzt hatte Bernd keinerlei Anstalten gemacht, diesbezüglich etwas mit ihr zu arrangieren. Dennoch sprach sie ihn nicht darauf an, sondern ging wie er – wenn auch in ziemlich gedrückter Stimmung – ihrer Arbeit nach.
    Traurig und unschlüssig, wie dieser Hochzeitstag zu retten wäre, betrat Alice am frühen Abend ihre Wohnung. Umso größer war die Überraschung, als sie auf dem Sofa ihr sexy Casting-Outfit vorfand. Auf dem Couchtisch lag eine Nachricht:
Zieh das an und warte auf mich. Bernd
    Klang das vielleicht liebevoll? Nicht wirklich. Ihr wurde mul mig.
    Weil Alice befürchtete, dass Bernd ihr etwas anmerkte, hatten sie seit ihrem exzentrischen Vorstellungstermin nicht mal mehr miteinander geschlafen. Und die ganze Zeit über hatte sie gewusst, dass sie sich ihm nicht nur deshalb verweigerte. Sie hatte von der verbotenen Frucht gekostet. Und sie wollte mehr. Dann war es jetzt wohl an der Zeit auszupacken.
    Mit der gleichen Sorgfalt wie für das Casting traf Alice ihre Vorkehrungen für die Konfrontation mit Bernd. Ihr Herz klopfte stürmisch und unregelmäßig. Sie wusste nicht, wie sie ihre Angst, dass dies ihr letzter Hochzeitstag sein könnte, im Zaum halten sollte. Prosecco? Hatte schon damals geholfen.
    Kaum hatte sie rasiert, geölt, geschminkt, gestiefelt und gespornt auf dem Sofa Platz genommen, öffnete sich die Wohnungstür. Alice ert chrak und stellte erttaunt fest, dass ihr Schoß feucht und heiß wurde. Sie stand auf und wollte Bernd ent gegengehen, ihn begrü ßen, ihn küs sen, ihm bewei sen, dass sie ihn liebte. Doch sein sachlicher Ton hielt sie davon ab: »Geh ins Schlafzimmer und setz dich aufs Bett. Ich bin gleich da.«
    So hatte er noch nie mit ihr gesprochen, und obwohl sie sich darüber wunderte, gehorchte sie, anstatt beleidigt zu sein.
    Die Minut en all ein schienen Stunden zu dauern. Angestrengt lau schend versuchte sie aus zu ma chen, was jenseits der Schlafzimmertür geschah. Rascheln, Schritte, ein Wasserhahn, wieder Schritte. Doch es gelang ihr nicht, daraus Bilder in ihrem Verstand zu erzeugen. Ihre Gehirnwindungen hatten sich ver hed dert.
    Endl ich kam Bernd. Er trug einen Smoking. Was hatte er vor?
    »Bernd …?«, begann sie unsicher. Sie streckte die Arme nach ihm aus, fühlte sich seltsam exponiert. »Warte.«
    Geheimnisvoll lächelnd ging er an ihr vorbei zum Fernsehregal, das am Fußende des Bettes stand. Jetzt erst sah Alice die Videokas sette, die Bernd in den Videorekorder schob.
    Was, zum Teufel, sollte das werden?
    Er nahm die Fernbedienung in die Hand, sagte: »Mach’s dir gemüttich«, schob Alice von ihrem Platz und setzte sich zu ihr aufs Bett. Und als der Film begann, surrte fünf Minuten lang ein riesiger, lauter Bienenschwarm in Alices Kopf, bevor ihr bewusst wurde, was sie da sah: Ihr Casting bei der POPO
    GmbH!
    »Wie … wie …?« Mehr brachte sie nicht heraus.

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