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Seidentanz

Seidentanz

Titel: Seidentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Iris Asyl fandest? Ein Vorgefühl?«
    Sie hatte wieder diese Art, mich anzusehen, als beobachte sie mich mit großer Sympathie, aber aus einem anderen Land.
    Doch gleichzeitig waren da noch Stolz, Eigensinn und Mut, lauter Eigenschaften, die ich schätzte.
    »Eigentlich seltsam, wenn man es so bedenkt, daß meine Großmutter auf einem japanischen Friedhof liegt.«
    Ein bitterer Zug grub sich um ihre Mundwinkel.
    »Du kennst ja die Umstände.«
    Ich wollte nicht sentimental werden.
    »Im großen und ganzen. Du warst ja nie sehr mitteilsam. Sobald es persönlich wurde – stop. Vielsagendes Schweigen. Ich durfte hin und her raten. Du hättest mir wirklich etwas helfen können. Diese Geheimniskrämerei, wozu eigentlich? Was mit den Juden im Zweiten Weltkrieg geschah, weiß inzwischen jedes Kind. Na schön, vielleicht fahre ich mal nach Japan und gehe der Sache nach.«
    Ihre Lider zuckten.
    »Das scheint mir unausweichlich. Und ich möchte sogar sagen, daß es allmählich Zeit wird.«
    Ich sah in das glatte Gesicht. Sie war für mich immer ein großes Rätsel gewesen.
    »Ist das schon wieder eine deiner Intuitionen?«
    »Ja.«
    Eine leichte Gänsehaut strich mir über die Arme. Sie beobachtete mich scharf und sagte:
    »Es macht allerhand aus, wenn man diese Dinge beachtet.«
    »Aber vorläufig habe ich andere Pläne.«
    Da wir jedoch beim Thema waren, setzte ich hinzu:
    »Übrigens, wie steht es eigentlich mit deiner japanischen Freundin? Hast du nie wieder etwas von ihr gehört? Du brauchst mir nicht zu antworten, wenn du nicht willst.«
    »Sie hieß Hanako«, sagte sie. »Blumenkind. Ein schöner klassischer Name. Ihre Mutter Fumi war Ärztin und hatte eine Privatpraxis. Der Vater war gestorben.«
    »Hat sie dir niemals geschrieben?«
    »Damals? Ausgeschlossen! Die Welt war ein einziges Chaos.«
    »Und später?«
    Sie fuhr mit den Fingern durch ihre Frisur, und ließ ihre Gedanken schweifen.
    »Nach dem Krieg habe ich versucht, Verbindung mit ihr auf-zunehmen. Ich habe mich bei der japanischen Botschaft erkundigt. Die Praxis in Kobe existierte nicht mehr. Ich habe Hanako ein Dutzend Briefe geschrieben. Von New York, später von Israel und Hongkong. Einige kamen mit dem Vermerk ›Empfänger unbekannt‹ zurück, die meisten blieben verschollen. Als Michael 1987 zu einen Kongreß in Tokio fuhr, begleitete ich ihn. Wir reisten nach Kobe und gingen zur Stadtverwaltung.
    Die Beamten waren sehr zuvorkommend, aber alle Bemühungen führten in eine Sackgasse. Die Familie war nicht mehr aufzufinden.«
    »Wie alt mag Hanako jetzt sein?«
    »Sie war zwei Jahre älter als ich, also sechzehn. Sie wird verheiratet sein, den Namen gewechselt haben…«
    Ich zögerte, stellte dann aber trotzdem die Frage:
    »Ob sie wohl noch lebt?«
    Lea schwieg eine Weile, bevor sie sagte:
    »Weißt du, in Kobe erfuhren wir eine merkwürdige Geschichte. Als wir das Grab deiner Großmutter besuchten, er-zählte uns der Friedhofswächter, daß einmal im Jahr, im Juni, eine Dame kommt und eine Schwertlilie auf den Grabstein legt.
    Ich schrieb meine Adresse auf und bat den Wächter, sie der Unbekannten bei ihrem nächsten Besuch zu geben. Der Wächter war schon alt und sagte, er sei nur noch für kurze Zeit da. Er versprach, seinen Nachfolger über die Sache in Kenntnis zu setzen. Inzwischen sind neun Jahre vergangen. Nichts! Keine Nachricht…«
    Ich war betroffen.
    »Das hast du mir nie erzählt.«
    »Muß ich dir denn alles erzählen?«
    »Du bist wirklich unglaublich!«
    Sie hielt den Kopf hoch, mit der Überheblichkeit einer jungen Frau. Ihr Lächeln war verschmitzt, fast gönnerhaft. Lea war um Jahrhunderte älter als ich, und doch empfand ich niemals bei ihr die Verantwortung der Jugend, die ältere Generation zu schützen.
    Ihre Gesundheit war unverwüstlich, ihre lebenslang einstu-dierte Haltung bewahrte sie nicht nur auf der Bühne. Sie besaß im vollen Maße das, was Oliver Sacks ein »Körperbild« nennt.
    Aber jetzt war ich beleidigt.
    »Ich erzähle dir auch nicht alles, glaube das ja nicht.«
    Sie ließ sich nicht beeindrucken und lachte leise.
    »Du bist alt genug, um mich mit gewissen Dingen zu ver-schonen.«
    Schachmatt. Ich ließ es mir gesagt sein. Im Kamin platzte ein Scheit, Funken sprühten auf. Lea ging geschmeidig in die Knie, stocherte mit einem Schürhaken in der Glut.
    »Eigentlich bist du noch gut in Form«, stellte ich fest.
    »Trotz des körperlichen Zerfalls.«
    Sie erhob sich, eine schnelle, fließende Bewegung.
    »Ich

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