0089 - Der Dämonenschatz
Der Kerl war nahe. Bill wusste das, und es ärgerte ihn, dass er den Feind nicht entdecken konnte. Vorsichtig schlich Fleming weiter. Der Himmel war von einer zerschlissenen Wolkendecke verhangen. Ab und zu ließ sich die dünne Sichel des Mondes blicken, doch sein Licht war kaum in der Lage, die Nacht zu erhellen. Bill huschte weiter durch den Wald. Plötzlich vernahm er das Knacken eines morschen Astes. Wie ein Schuss hörte sich das an. Fleming, ein blonder, breitschultriger Mann - ganz und gar nicht der Typ des durchschnittlichen Wissenschaftlers, weder trocken noch bleich, noch mager, sondern sportgestählt, wendig und mutig - drehte sich erneut um. Seine Hand glitt in die Hosentasche. Als sie wieder zum Vorschein kam, umschlossen die Finger ein Springmesser. Fleming wusste, dass er damit nichts gegen den Kerl, der hinter ihm her war, ausrichten konnte. Trotzdem ließ er die Klinge blitzschnell aufschnappen.
***
Dann schaute er sich hastig um. Aus der undurchdringlichen Dunkelheit ragten ihm Äste und Zweige entgegen. Wie die Arme von feindseligen Geistern, die ihn packen und nie mehr loslassen wollten.
Fleming trat an einen der Äste heran. Armdick war das Ding. Genau richtig für das, was Bill vorhatte. Sein Messer zuckte vor. Er schnitt in großer Hast rund um den Ast eine tiefe Kerbe ins Holz.
Irgendwo in der Dunkelheit des gefahrvollen Waldes knackte erneut ein morsches Holz. Bill kümmerte sich nicht darum. Er beeilte sich, schnitt eine immer tiefere Kerbe in das Holz, während sich seine Stirn mit Schweißperlen zu bedecken begann.
Eine verdammt haarige Sache war das, in die er da geraten war, und er konnte nur zu Gott und allen Heiligen beten, dass sie ihm beistanden, wenn es in wenigen Minuten zur Entscheidung kommen würde.
Bill spürte sein heißes Blut in den Ohren rauschen. Er fühlte, wie es in seiner Halsschlagader pochte, und er befürchtete, dass dieses Pochen ihn verraten könnte.
So schnell es ihm möglich war, säbelte er mit seinem Springmesser an dem Ast herum. Der Unhold kam näher. Nach wie vor stellte er es so geschickt an, dass er nicht zu sehen war. Aber Bill Fleming fühlte den unangenehmen Hauch des Todes, der von dem gefährlichen Wesen, das hinter ihm her war, ausging.
Bill schnitzte verbissen weiter. Sein Atem ging heftig. Die Hand schmerzte ihn, denn solche Anstrengungen war er nicht gewöhnt. Er ging zwar zu Hause zweimal wöchentlich ins Fitnesscenter und stemmte da alle möglichen Gewichte, aber das war eben doch eine andere Tätigkeit als diese hier.
Endlich hatte sich die Messerklinge tief genug in das Holz hineingearbeitet.
Der Ast ließ sich drehen. Bills Herz klopfte vor Freude hoch oben in seinem Hals.
Größte Eile war geboten. Bill drehte den Ast mit schraubenden Bewegungen, während er mit seinem Springmesser Faser um Faser des frischen, jungen, widerstandsfähigen Holzes durchtrennte.
Endlich gab es einen knirschenden Laut, und der Ast war ab.
Ein unheimliches Zischen flog durch die Nacht. Bill drehte sich um. Weit aufgerissen waren jetzt seine Augen. Sie suchten angestrengt den gefährlichen Gegner, der ihm nach dem Leben trachtete.
Stand er nicht dort, zwischen zwei Stämmen? Aufrecht! Unbeweglich! Als wäre auch er ein Baumstamm. Doch Bill ließ sich nicht täuschen. Er konnte, je länger er hinsah, die rot glühenden Augen des anderen sehen: Sie waren groß, verhießen eine tödliche Gefahr. Das Feuer der Hölle loderte in ihnen.
Bill Flemings Messer flog ununterbrochen über die Spitze des Astes, den er abgeschnitten hatte. Span um Span hob er ab, bis der armdicke Ast spitz wie ein Pfeil war.
Er bemerkte eine Bewegung in der Dunkelheit. Bill überlief es eiskalt. Nun würde der Moment gleich gekommen sein, der entscheidend für sein weiteres Leben war. Blieb er in dieser unheimlichen nächtlichen Begegnung Sieger, durfte er weiterleben.
Unterlag er, dann würde er ein Opfer dieser blutgierigen Bestie werden, und nichts und niemand würde ihm dann mehr helfen können. Dann war er für alle Ewigkeiten verloren.
Bill klappte nervös das Messer zu und ließ es in der Hosentasche verschwinden. Seine Nerven waren bis zum Zerreißen angespannt. Er wünschte sich jetzt viele hundert Meilen weg, aber er war Realist genug, um zu wissen, dass sich dieser Wunsch niemals erfüllen konnte.
Er war gezwungen zu bleiben, war gezwungen, sich zu stellen, war gezwungen, um sein Leben zu kämpfen!
Der Unhold mit den glühenden Augen kam langsam näher. Das
Weitere Kostenlose Bücher