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Sein Anteil

Sein Anteil

Titel: Sein Anteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Wuchold
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Ihn amüsierte die Vorstellung, die Schüler könnten zornig losmarschieren und ihren Lehrer mir nichts, dir nichts über den Haufen schießen. Im Grunde war es ganz einfach, jemanden zu töten, fast so einfach, wie einen Regenschirm zu erschwindeln. Man musste sich nur trauen.
    Willem verließ das Café und ging zur Bank. Er erstattete die Honorare zurück, deren Rückzahlung die Zeitung in Gent bereits angemahnt hatte, beglich noch offen stehende Rechnungen und zahlte zudem auf sein eigenes Konto fünftausend Pfund ein. Das gab ihm ein Gefühl der Sicherheit.
    Als Willem die Old Brompton Road zurückging, kam ihm die Idee, sich ein neues Auto zuzulegen, um sich den Abschied von London zu versüßen. Willem dachte an ein Cabriolet, mit dem es ein Vergnügen wäre, der Sonne entgegen zu fahren.
    Am Nachmittag fuhr Willem in seinem altersschwachen gelben Mercedes nach Parsons Green, auf dem Beifahrersitz eine Plastiktüte mit zehntausend Pfund. Mehr wollte er für sein neues Auto nicht ausgeben. Da er den Kauf bar abwickeln wollte, befürchtete er auch, dass er sich bei einem höheren Betrag verdächtig machen könnte. Willem kannte einen Händler in Parsons Green, nicht weit vom »White Horse«, der auf Oldtimer spezialisiert war. Denn ein Neuwagen kam für Willem nicht in Frage. Er fand neue Autos gewöhnlich.
    Er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, etwa alle drei Monate bei dem Händler vorbei zu schauen, durch die Reihen zwischen den alten Ferraris, Bentleys und Porsches zu streifen, einen prüfenden Blick auf Lack, Motor und Interieur zu werfen, sich in diesem oder jenem Fahrzeug hinters Steuer zu setzen und dann für ein paar Sekunden, von einer imaginären Sonne geblendet, davon zu träumen, über kurvige Serpentinen zu rasen. Jedes Mal tauschte er sich anschließend mit dem Händler über die Vorzüge der einzelnen Fabrikate aus, ohne wirklich technisch versiert zu sein. Bei seinem letzten Besuch, erinnerte sich Willem, war der Händler recht kurz angebunden gewesen. Er dachte wohl, dass Willem nie sein Kunde würde. Um so mehr freute sich Willem auf den bevorstehenden Kauf, war er doch mit einer zusätzlichen Genugtuung verbunden.
    Rund vierzig Fahrzeuge standen kreuz und quer in der Garage, Limousinen neben Sportwagen, Cabriolets neben historischen Rennwagen, amerikanische neben italienischen Fahrzeugen. Ein System konnte Willem nicht erkennen. Das Limit von zehntausend Pfund, das er sich gesetzt hatte, schränkte die Auswahl von vornherein ein. Ein weißer Alfa Romeo Giulia 101 Spider aus den sechziger Jahren weckte sofort sein Interesse. Er glaubte einen Film gesehen zu haben, in dem ein Berufskiller in dem gleichen Wagen die Riviera entlang flüchtete, die Polizei dicht auf seinen Fersen. Auch deshalb schien Willem seine Wahl besonders gelungen.
    Er klopfte an die Glasscheibe und zeigte auf den Alfa Romeo. Der Händler suchte die Schlüssel hervor, allerdings in Zeitlupentempo, und folgte Willem durch die Halle. Erst beim dritten Mal gelang es dem Händler, den Motor anzuwerfen. Der Wagen habe sehr lange gestanden, sagte er. Willem gab sich mit der Erklärung zufrieden. Dann setzte sich Willem ans Lenkrad, ließ ein paar Mal den Motor laut aufheulen und fuhr einmal vor, einmal zurück. Das war die ganze Testfahrt.
    »Wenn Sie mir meinen alten Mercedes abnehmen, kaufe ich Ihnen den Alfa ab. Einverstanden?«
    Der Händler sah sich ausgiebig den Mercedes an, der vor dem Tor stand, trat gegen die Reifen, schaute unter die Motorhaube, unter den Wagen, glaubte ein verdächtiges Geräusch im Getriebe zu hören und tat überhaupt sehr bedenklich.
    »Ich kann Ihnen nur zweihundert Pfund bei dem Alfa nachlassen. Mehr ist beim besten Willen nicht drin.«
    »Abgemacht.« Willem streckte seine Hand aus, und der Händler schlug ein. »Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn ich bar bezahle? Ich habe nämlich kein Konto in England«, log Willem.
    Der Händler hatte nichts einzuwenden. Willem blätterte in Fünfzig-Pfund-Noten sechstausend und achthundert Pfund auf den Tisch. Er ließ sich noch die Mechanik des Faltdachs vorführen, gab kräftig Gas und brauste los, wobei das röhrende Motorengeräusch des Alfas wie Musik in seinen Ohren klang.
    Wäre Sonntag gewesen, wäre er sicherlich mit dem Alfa vor dem »White Horse« vorgefahren, um den jungen Börsianern zu imponieren, die er eigentlich verachtete. Stattdessen fuhr Willem durch Parsons Green und Fulham Richtung Sloane Square. Er hoffte, irgendein bekanntes

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