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Sein Anteil

Sein Anteil

Titel: Sein Anteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Wuchold
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waren schier unerschöpflich und seine Preise konkurrenzlos.
    Es bedurfte dreijähriger gemeinsamer Anstrengungen von Zoll, Steuerbehörden und Polizei, um Licht in Hewitts dunkle Geschäfte zu bringen. Selbst Geheimdienste waren an den Nachforschungen in Thailand, Burma und Hongkong beteiligt, um zu belegen, dass Hewitt sowohl mit der russischen Mafia als auch mit asiatischen Regierungsstellen den umfangreichen Schmuggel organisierte. Ein weiteres Jahr verging, um das zusammengetragene Material zu prüfen und Anklage gegen Hewitt zu erheben. Und er wäre ohne jeden Zweifel, so wurde in dem Artikel behauptet, verurteilt worden, wenn er nicht zuvor den Tod gefunden hätte, einen geheimnisvollen Tod, über den bis dato die Polizei nur Vermutungen anstellen konnte.
    Haarklein wurde beschrieben, wie sich nach den Ermittlungen der Polizei die Befreiung der Tochter auf dem Parkplatz in der Nähe des Flughafens abgespielt hatte. Doch wieder war von zwei russischen Tätern die Rede, von denen nur die Identität des einen zweifelsfrei festgestellt werden konnte, weil man ihn wenige Tage später tot auf einem Bahngleis im Süden Londons auffand. Aber er sei ebenso wie auch der andere Beteiligte wahrscheinlich nur ein Handlanger der russischen Mafia gewesen, die hinter der Entführung steckte. Nur über die Motive der Mafia war die Polizei sich offenbar nicht schlüssig, hieß es in dem Magazin. Entweder schuldete Hewitt der Mafia noch Geld, das sie mit der Entführung aus ihm herauspressen wollte, oder die Mafia wollte Hewitt wegen des bevorstehenden Prozesses unter Druck setzen, seine Verbindungen nicht preiszugeben.
    »Das Geheimnis seines Todes nahm Henry Hewitt mit in sein Grab.« Den letzten Satz las Willem wieder und wieder, obwohl er ihn sofort auswendig konnte. Er war sich sicher, dass der Artikel, der zehn eng bedruckte Seiten füllte, nicht auf Spekulationen des Autors beruhte, sondern vor allem auf Informationen der Polizei. Dann las er nochmals den ganzen Artikel von Anfang bis Ende.
    Alles schien schlüssig. Wenn er es nicht selbst besser wüsste, dachte Willem, müsste alles sich ganz genau so zugetragen haben. Er legte das Heft beiseite und sprach noch einmal den letzten Satz laut: »Das Geheimnis seines Todes nahm Henry Hewitt mit in sein Grab.« Sollte doch alles vorbei sein?

 
23
     
     
     
    Es ist die Zeit, wo der Sommer endet und der Herbst beginnt, die Sonne allmählich ihre Kraft verliert und nur ihr Licht behält. Es gibt noch Bäume so grün, dass man sich über die wahre Jahreszeit täuscht. Andere sind schon rotbraun oder ganz goldgelb, wieder andere so kahl, als hätten sie sich allzu rasch dem noch fernen Winter ergeben.
    Willem glaubt den Wandel körperlich zu spüren, den Boden unter seinen Füßen, der noch ganz weich ist, aber auch schon kalt. Und er schmeckt die Luft, die bereits malzig rau ist vom nahen Herbst.
    Lange hat er gezögert, in den Holland Park zu gehen, aus Furcht. Es ist die gleiche Furcht wie vor einer großen Entscheidung, der man so lange wie möglich ausweicht. Willem vermeidet die Wege, geht über die Wiesen, fühlt kaum den sanften Wind, als wehe er durch ihn hindurch, als sei er nichts.
    Aber warum hätte er nicht hierhin kommen sollen? Was hat er zu fürchten? Nichts, sagt sich Willem, gar nichts. Alles hat sich glücklich gefügt, Hewitts Tod, auch Nikitas Ableben, der Geldsegen, alles hat sich gefügt wie von selbst.
    Zum ersten Mal fällt Willem auf, dass viele Bänke im Holland Park Inschriften tragen. Er hat sie schon oft gesehen, aber ihnen nie Beachtung geschenkt. Auf manchen steht nur ein Name, vielleicht noch das Geburtsjahr und das Sterbejahr, auf manchen noch ein Zusatz wie »In Liebe« oder »In liebender Erinnerung an…« oder »Zum Gedenken an…«.
    Was bewegt Menschen, einem Toten eine Bank zu stiften? Trauer? Dankbarkeit? Doch wen interessiert es, dass eine Mary Soundso hier oft saß, weil sie die Blumen liebte? Willem ärgert sich, dass ihm Sentimentalität fremd ist. Er fühlt sich von etwas ausgeschlossen, was andere verbindet. Aber alles wird sich nun ändern.
    Er hat den Holland Park durch den nördlichen Eingang betreten. Er wollte nicht durch Phillimore Gardens gehen. Aber nun lenkt er seine Schritte oder lenken seine Schritte ihn zum Holland Walk, der hinter dem Haus der Hewitts vorbeiführt. Und dann – noch in weiter Ferne – erkennt er Patricia, die Tochter, wie sie mit ihrem Hund auf dem Rasen spielt. Auch andere Kinder beteiligen sich an

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