Sein erster Fall
»Unter diesen Umranden hab’ ich also noch fünf Minuten Zeit. Möchten Sie sich lieber mit mir unterhalten oder weiterlesen?«
»Lohnt sich eine Unterhaltung mit Ihnen überhaupt?«
Ich sah sie an und sagte: »Nein.«
Einen Augenblick blitzte es humorvoll in ihren Augen, »Lohnende Unterhaltungen langweilen mich nämlich«, eröffnete sie mir. »Das da in der Schublade ist ein Filmmagazin; ich habe weder >Die Zitadelle< noch >Vom Winde verweht< noch sonst jemals ein lohnendes Buch gelesen und habe das auch nicht vor. Worüber hatten Sie sich mit mir unterhalten wollen?«
»Also, wie wär’s, wenn wir gleich mit Mrs. Cool anfangen. Wann geht sie immer zum Essen?«
»Um elf.«
»Und kommt um zwölf zurück? Und Sie gehen um zwölf und kommen um eins wieder?«
»Richtig.«
Ich sah, daß sie älter war, als ich sie zuerst geschätzt hatte. Anfangs hatte ich auf Ende Zwanzig getippt, jetzt kam sie mir eher wie Mitte Dreißig vor. Sie pflegte zwar ihr Gesicht und achtete auf ihre Figur, aber es gab doch manches unverkennbare Fältchen am Hals, und die Linien unter ihrem Kinn, so schwach sie waren, ließen doch auf mehr schließen als die sieben- oder achtundzwanzig Jahre, die ich ihr anfangs zugebilligt hatte.
»Alma Hunter wartet unten im Wagen auf mich«, sagte ich, »wenn Mrs. Cool vielleicht nicht pünktlich zurückkommen wird, laufe ich besser ’runter und sage Bescheid.«
»Sie kommt pünktlich zurück«, versicherte mir Elsie Brand, »auf jeden Fall nicht später als zwei oder drei Minuten nach zwölf. Eins muß man Bertha Cool lassen, sie hält darauf, daß man pünktlich zu seinen Mahlzeiten kommt und läßt einen nie sitzen.«
»Sie scheint mir eine Persönlichkeit zu sein«, sagte ich.
»Das kann man wohl sagen!«
»Wie ist sie denn an diesen Detektivberuf gekommen?«
»Als ihr Mann starb.«
»Es gibt doch viele andere Dinge, womit eine Frau sich ernähren kann«, faselte ich.
»Als da sind?«
»Nun, sie hätte zum Beispiel als Mannequin arbeiten können. Wie lange sind Sie schon bei ihr tätig?«
»Von Anfang an.«
»Und wie lange ist das her?«
»Kannten Sie sie schon, ehe ihr Mann starb?«
»Ich war die Sekretärin ihres Mannes«, sagte sie, »Bertha hat mir die Stelle bei ihm besorgt. Sie...«
Elsie Brand brach ab, denn draußen wurden Schritte vernehmbar. Kurz darauf zeichnete sich auf der Milchglasscheibe der Eingangstür ein Schatten ab, und Bertha Cool rauschte majestätisch herein. »Okay, Elsie«, sagte sie, »Sie können jetzt gehen. Und Sie, Donald, was wollen Sie hier?«
»Ich möchte Bericht erstatten.«
»Kommen Sie ’rein.«
Sie schritt auf ihr Privatbüro zu, in gerader Haltung, während Busen und Hüften unter ihrem weiten, dünnen Kleid elastisch hin und her wogten.
»Setzen Sie sich!« befahl sie. »Haben Sie ihn ausfindig gemacht?«
»Den Mann noch nicht, aber ich habe mit ihrem Bruder gesprochen.«
»Dann also los, suchen Sie ihn!«
»Das tue ich ja auch.«
»Und ob Sie das tun. Können Sie gut rechnen?«
»Worum handelt sich’s?«
»Ich habe eine Pauschale für sieben Tage Arbeit bekommen. Wenn Sie sieben Tage brauchen, hab’ ich hundertfünfzig Dollar. Wenn Sie nur einen Tag brauchen, hab’ ich auch hundertfünfzig Dollar. Wenn Sie den Fall heute noch hinkriegen, kann ich sechs Arbeitstage von Ihnen einem andern Klienten andrehen. Rechnen Sie das mal durch, dann wissen Sie, was das bedeutet. Wenn Sie sich hier im Büro ’rumdrücken, können Sie die Vorladung nicht zustellen. Also marsch los und die verdammte Ladung überbracht!«
»Ich kam vorbei, um Bericht zu erstatten.«
»Ich pfeife auf Berichte. Resultate will ich.«
»Vielleicht brauche ich Hilfe.«
»Wofür?«
»Ich muß ein Mädchen beobachten. Ich habe Morgan Birks Freundin ausfindig gemacht, und ich muß ihr irgend etwas vorerzählen, daß sie sofort zu Morgan rennt, und dann muß ich sie verfolgen.«
»Und was hindert Sie daran?«
»Ich habe mir einen Wagen besorgt, Miss Hunter fährt mich.«
»Gut, lassen Sie sie fahren. Noch etwas«, fuhr sie fort »sobald Sie Morgan Birks gefunden haben, rufen Sie Sandra an.«
»Das könnte uns die Zustellung vermasseln.«
Sie lächelte. »Deswegen machen Sie sich mal keine Sorgen. Es ist ja alles bezahlt!«
»Ich könnte sonstwie in die Bredouille kommen. Die Leute sind mir nicht ganz geheuer. Sandras Bruder deutete mir an, daß viel mehr für Birks spricht als für seine Schwester.«
»Wir werden nicht bezahlt, um Partei zu ergreifen,
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