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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Nachrichtensperre   – um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Ich kann Sie festnehmen lassen.«
    »An Ausreden kein Mangel. Aber zu spät, lieber Kommissar. In ein oder zwei Stunden werden die gesamte Presse und die Auslandskorrespondenten anrücken. Alles, was bis gestern Abend geschah, geht diesen Moment auf zweihundert Rechnern ein, Weinhändler, Geschäftsfreunde, Presseagenturen, ich habe einen großen Verteiler. Auf unsere Demokratiemüssen wir selbst aufpassen. Wenn man das dem Staat überlässt, ist man verlassen.«
    »Das ist Ihre Sicht der Dinge.«
    »Welche könnte ich sonst haben?«
    Neureuther sah sich um, es war klar, dass er Isabella suchte. Und er begriff. »Holen Sie mir die Spanierin!«, rief er seiner Assistentin zu. »Sofort!«
    Die Müller-Wipperfürth rannte los, und Henry grinste nur. »Zu spät, ich sagte es bereits, Herr Neureuther. Ich gehe jetzt mit meiner Frau und Herrn Gatow in die Küche, wir machen uns einen schönen Kaffee und frühstücken. Die Kombüse dieses untergehenden Schiffes wird wohl noch nicht unter Wasser stehen. Komm, Frank! Ich möchte dir den wichtigsten Menschen in meinem Leben vorstellen.«
    Der Fotograf ließ die Hände, die er noch immer in die Luft gereckt hielt, herunterfallen und folgte Henry und wünschte allen Darth Vaders einen schönen Tag. Zwei Sanitäter mit einer Trage kamen ihnen entgegen.
    »Guck mal, die Jungs von der ’Ndrangheta verstehen ihren Job«, meinte Henry, als sie an Brunners Büro vorüberkamen, »gestern standen hier jede Menge Aktenordner. Sie haben vorsichtshalber sämtliche Belege und auch die Rechner mitgenommen.«
    »Da wird sich aber einer ärgern«, sagte Frank laut und wandte sich zu Neureuther um, der ihnen gefolgt war. »Wollen Sie auch Kaffee? In Zimmer Nummer dreizehn haben sie gewohnt, die Mörder von Alan Amber. Geben Sie sich keiner falschen Hoffnung hin, Herr Kommissar, Sie werden nicht eine einzige Hautschuppe finden. Das hier ist ein gutes Hotel, die verstehen ihren Job, die machen jeden Tag richtig sauber.«

21
Die Wahrheit?
    Gemächlich und leicht, als wäre eine große Last von seinen Schultern genommen und er selbst fünf Jahre jünger geworden, nahm Henry die Stufen zur Terrasse der Probst’schen Weinstube in Achkarren. Jürgen Templin kam schwerfällig hinterher, die Last auf seinen Schultern war nur geringfügig leichter geworden. Er wird Zeit brauchen, auch bis er den aufrechten Gang wieder beherrscht, dachte Henry, als er sich kurz nach ihm umdrehte. Aber leichtfüßig wie vor dem grässlichen Unfall wird er nie wieder gehen.
    Unter einem Sonnenschirm warteten Isabella und Frank in Ferienstimmung. Beide hatten das Mittagessen beendet, das Geschirr war noch nicht abgeräumt, sie hatten es mit der Probe von Reiner Probsts Weinen verbunden. Für Isabella waren Kaiserstühler Burgunder etwas Neues, die aus dem Burgund waren ihr so wenig vertraut wie die meisten internationalen Weine, in deren Genuss sie nur dank Henrys Aktivitäten gelangte, und natürlich durch die Merlots und Cabernet Sauvignons ihres Onkels aus Chile und seines Carmaniere, einst aus dem Médoc in Südamerika eingeführt.
    »Du hast lange gebraucht«, sagte sie zur Begrüßung und umarmte Henry. »Wird er es schaffen?« Laut, dass Templin sie verstand, fragte sie auf Englisch, ob die Mühe gelohnt habe.
    Es sei ein schwieriger Angang gewesen, erzählte Henrymit Blick auf den zerknirschten Winzer, erst auf Deutsch, dann für Isabella auf Spanisch, was ihn fast ein wenig Heimweh empfinden ließ. Er fühlte sich in dieser Sprache anders, als wenn er Deutsch sprach, in der Intimität mit Isabella wurde es ihm besonders deutlich. Sie brachte Saiten in ihm zum Klingen, die es in seinem deutschen Leben nicht gab. Also war auch die Sprache eine Form des Seins?
    Das Eis, auf dem Templin und er sich bei ihrem ersten Schlichtungsgespräch mit Johansen und ihren Anwälten bewegt hatten, war dünn gewesen.
    »Sie korrigieren mich, wenn ich falsch berichte«, meinte er zu Templin, der noch am Erlebten kaute und daher nichts essen wollte. Nur Wasser war ihm genehm, nicht einmal Wein. »Die Spannung zwischen uns, Johansen hatte gleich zwei Anwälte dabei, war extrem. Ob sie von der Erpressung wussten, haben sie nicht durchblicken lassen, es wurde um den heißen Brei herumgeredet.«
    Henry hatte Johansen angemerkt, dass er sich dem Willen seiner glorreichen Gesellen gefügt hatte, die ihre Westen und Geschäfte sauber halten wollten. Templin und der

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