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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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    Isabella riss ihn mit dem diskreten Tippen auf den Fuß aus seinen Gedanken. Der Winzer war an ihren Tisch getreten.
    Wenn man den Weinbau nach industrieller Produktion, handwerklicher Fertigung und künstlerischer Arbeit einteilen wollte, befand sich Reiner Probst zwischen den beiden letzteren Kategorien   – »
de cierta manera«
, in gewisser Weise, wie Isabella in ihrer leisen Art bemerkte. Probst hatte beim verstorbenen Salwey in Oberrotweil gelernt, einen besseren Lehrmeister hätte er kaum finden können. Dann war er in der Pfalz gewesen und hatte schließlich mit zweiundzwanzig Jahren den elterlichen Hof übernommen. Mit fünf Hektar hatte er begonnen, bei neun Hektar war er jetzt angekommen   – und da würde er kaum stehen bleiben. Seine Weine hätte er unter der Bezeichnung »Vulkanfelsen Kaiserstuhl« anbieten können, in der Literflasche ohne Lagenbezeichnung, Trauben gab es überall zu kaufen, aber Probsts Lagen waren der Schlossberg mit Resten alter Mauern und Wälle, von Efeu überwuchert, Hang- und Steillagen und einige Terrassen, hauptsächlich Vulkanverwitterungsböden. Der große Kalkanteil dieser Lage machte seine Weine zu etwas Besonderem.
    Aber interessierte der Kalkanteil den Weintrinker? War es ihm wichtig, ob er die Lage, den Boden oder dies oder jenes aus dem Terroir herausschmecken konnte? Henry beantwortete diese Frage für sich selbst mit einem klaren Ja, als er den Spätburgunder als Kabinett und den aus dem Vorjahr als Spätlese probierte. Es waren gute, klare Weine, rund und kräftig, nicht aufgemotzt, keine überflüssige Süße, die sich einschmeicheln wollte.
    Wichtig war, dass der Wein gefiel, dass er schmeckte, dass er zum Essen passte, zu dem man ihn einschenkte   – und auch, dass man als Gastgeber womöglich den Freunden eine kleine Geschichte zum Weingut erzählen konnte.
    Vom Schlossberg stammten auch die Trauben für den Grauburgunder   – frische, grüne Weine, die bei späteren Lesezeiten als Spätlese klar an Dichte und Intensität gewannen. Je mehr Extrakt sie mitbrachten, desto besser gestaltetesich auch der im Barrique ausgebaute Wein. Hier war es immer heikel, die richtige Balance zu finden, denn wer trank schon gerne nach Holz schmeckenden Weißwein? Das war auch beim Roten nicht gefragt, es musste eingebunden sein, wie es hieß. Probsts Weißburgunder kamen hauptsächlich vom Castellberg mit Löss-Lehm-Boden und führten mehr in die herbe Richtung.
    Der Winzer gesellte sich für eine Weile zu ihnen, ansonsten war er in dieser Jahreszeit mit Laubarbeiten beschäftigt. Für die Teilung der Trauben war es viel zu früh, dafür, ihnen die Spitzen und Schultern zu kappen, um einmal die Erträge zu reduzieren und gänzlich durchreifte Trauben zu erhalten. Seine Einladung zur Besichtigung des Kellers schlugen Henry und Frank höflich aus, von unterirdischen Verliesen und der Kälte alter Gemäuer hatten sie genug, die Erinnerung war doch noch recht warm.
    Das Syrah-Experiment, von dem der Winzer sprach, interessierte Henry wirklich. Die Rebsorte gehörte in den Süden, Syrah war typisch für die farbintensiven Weine der Provence oder Australiens. Die Trauben mussten ausreifen, sonst waren sie nur grasig, sauer und beschädigten die Mundschleimhaut. Frank kannte einige Versuche aus der Toskana. Auch in Spanien wurde damit experimentiert. In Deutschland hatte Syrah bisher kaum zu nennenswerten Ergebnissen geführt. Dieser hier hatte zwar nicht die Stoffig keit der südfranzösischen Brüder oder Schwestern, dafür Eleganz statt Wucht, der Wein war lebendig und frisch, von Rauheit durch harte Tannine keine Spur, und er hatte eine Note im Geschmack, die Henry als typisch für den Kaiserstuhl empfand. War das der Vulkan? Jedenfalls war es ein Wein, der sich zu trinken lohnte.
    Henry hob das Glas erneut zum Mund   – und erstarrte, über den Rand seines Glases hinweg beobachtete er die Straße. Isabella bemerkte sofort, dass ihn etwas beunruhigte, und blickte fragend zu Frank hin. Auch er hatte die Augenhinter seiner runden Brille zusammengekniffen, als blende ihn etwas, und er schien auf dem Sprung. Gegenüber schob sich langsam ein schwarzer Audi um die Ecke   – und hielt. Als Koch ausstieg, atmeten die beiden Männer auf.
    »Wie hat er uns gefunden?« Henry stellte missmutig sein Glas auf den Tisch. »Will er uns am letzten Tag noch die Laune verderben?«
    Koch winkte vom Fuß der Treppe, als würde er alte Freunde wiedertreffen. Sein Selbstbewusstsein, wie

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