Sein letzter Fall - Fallet G
absurd erschien. Als ginge es um so etwas wie einen kranken Hund statt um eine tote Ehefrau. Er trug eine helle Baumwollhose und ein kurzärmliges blaues Hemd, das über die Hose hing. War barfuß, hatte sicher seine Schuhe und Strümpfe ausgezogen, bevor er sich auf die Suche nach seiner Ehefrau machte.
Braun gebrannt und durchtrainiert. Dunkles, leicht grau meliertes, kurz geschnittenes Haar, das nicht so aussah, als würde es langsam schütter werden, nicht einmal in den Geheimratsecken. Ein kräftiges Gesicht mit breitem Mund und sehr tiefen Augenhöhlen.
»Wie geht es Ihnen?«
Hennan schien einige alternative Antwortmöglichkeiten zu erwägen, bevor er sich äußerte.
»Ich weiß nicht so recht«, sagte er dann. »Tut mir Leid, aber ich bin ja auch nicht mehr ganz nüchtern.«
Sachs nickte.
»Aber ich nehme an, dass ich einen Schock bekommen habe… so etwas in der Richtung.«
»Die Reaktion kommt meistens erst später«, sagte der Arzt. »Das dauert eine Weile.«
»Ich muss Sie natürlich ausführlich befragen«, erklärte Sachs. »Aber ich schlage vor, dass wir auf meinen Kollegen warten, er muss jeden Augenblick hier eintreffen.«
»Warum müssen Sie…?«, setzte Hennan an, aber Sachs unterbrach ihn.
»Es sieht natürlich ganz nach einem Unfall aus. Dennoch können wir nicht ausschließen, dass es sich um etwas anderes handelt.«
»Um etwas anderes?«, wiederholte Hennan, aber die Antwort schien ihm selbst sofort in den Sinn zu kommen. »Sie meinen…?«
»Genau«, sagte Sachs. »Man weiß ja nie. Sehen Sie, da haben wir ja den Polizeianwärter!«
Polizeianwärter Wagner tauchte aus der Dunkelheit auf und begrüßte alle Anwesenden. Seine Uniform sah aus, als wäre er erst vor zehn Minuten vom Schneider gekommen, wie Sachs registrierte.
»Ich habe Verstärkung aus Maardam angefordert«, erklärte Santander. »Aber vielleicht wollen Sie schon mal runtergehen und einen Blick auf sie werfen, bevor die hier sind?«
Sachs überlegte einen Augenblick.
»Nein, danke«, sagte er. »Ich warte. Polizeianwärter Wagner wird Sie nach unten begleiten, währenddessen kann ich mich mit Herrn Hennan unterhalten.«
Wenn es Anhaltspunkte für ein Verbrechen gibt, dann werden die aus Maardam sowieso den Fall übernehmen, dachte er. Und seine jungen Augen sehen besser als meine alten.
Arzt und Polizeianwärter begaben sich zur Leiter am gegenüberliegenden Ende des Beckens. Sachs deutete auf die Liegestühle. Hennan nickte etwas zerstreut, und beide ließen sich jeweils in einem nieder. Sachs holte seinen Notizblock hervor.
»Ich werde Ihnen eine Reihe von Fragen stellen«, sagte er. »Das ist reine Routine. Wir sind gezwungen, so vorzugehen, bitte nehmen Sie es nicht persönlich.«
»Ich verstehe«, sagte Hennan und zündete seine Zigarre an, die ausgegangen war.
»Ihr vollständiger Name?«
»Jaan Genser Hennan.«
»Und der Ihrer Ehefrau?«
»Barbara Clarissa Hennan.«
»Ihr Mädchenname?«
»Delgado.«
»Alter?«
»Sie… sie wäre jetzt im August fünfunddreißig geworden.«
»Also etwas jünger als Sie?«
»Fünfzehn Jahre. Aber was hat das mit der Sache zu tun?«
Sachs zuckte mit den Schultern.
»Nichts, nehme ich mal an. Und Sie leben hier?«
»Ja, natürlich.«
»Kinder?«
»Nein.«
»Hübsches Plätzchen. Wie lange wohnen Sie schon hier?«
Hennan zog an der Zigarre und fummelte an seinem Glas, ohne es hochzunehmen.
»Wir haben es nur gemietet. Meine Frau ist… war… Amerikanerin. Wir haben viele Jahre in Denver gelebt, bevor wir im Frühling hierher gezogen sind.«
»Sie stammen von hier?«
»Geboren und aufgewachsen in Maardam.«
»Ich verstehe. Was arbeiten Sie?«
»Ich habe eine Importfirma.«
»Wo?«
»Hier in Linden. Fürs Erste nur ein kleines Büro am Aldemarckt.«
»Was importieren Sie?«
»Verschiedenes. Was sich halt lohnt, in erster Linie elektronische Produkte aus Südostasien. Teile für Musikanlagen, Minirechner und solche Sachen.«
Sachs nickte und beschloss, dass das als Hintergrundinformation zunächst einmal genügte.
»Erzählen Sie mir, was heute Nacht geschehen ist«, bat er.
»Da gibt es nicht viel zu erzählen«, erklärte Hennan. »Wie gesagt, ich bin nach Hause gekommen und habe sie da unten gefunden…«
»Sind Sie hinuntergestiegen und haben nachgesehen, ob sie tot ist, bevor Sie die Polizei angerufen haben?«
»Ja, natürlich. Ich habe sogar nach ihrem Puls gesucht, obwohl mir irgendwie klar war, dass es keine Hoffnung mehr gab. Sie war
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