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Sein letzter Fall - Fallet G

Sein letzter Fall - Fallet G

Titel: Sein letzter Fall - Fallet G Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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Jahre alt und hatte keine Lust, morgens mit dem Hund rauszugehen. Er tat es zwar ab und zu, seit die große Schwester nach Paris gezogen war, aber an diesem Morgen war er nicht zu Hause.
    Weiß der Himmel, wo der sich herumtreibt, dachte Van Veeteren plötzlich.
    Er hatte um elf Uhr abends angerufen, mit seiner Mutter gesprochen und erklärt, dass er sich draußen in Löhr befand und bei einem Kumpel übernachten würde. Der in die gleiche Klasse ging – oder in die Parallelklasse –, und die beiden würden von dem Vater des Freundes direkt in die Schule gebracht werden.
    Wie der Freund denn hieße?, hatte Van Veeteren von seiner Frau wissen wollen, als die den Hörer aufgelegt und die Lage erklärt hatte.
    Das fiel ihr nicht mehr ein. Irgendetwas mit M, sie war sich nicht sicher, den Namen früher schon einmal gehört zu haben.
    Ob er denn eine saubere Unterhose und eine Zahnbürste dabei habe?, hatte Van Veeteren auch noch wissen wollen, aber dann keine Lust gehabt, sich weiter mit seiner Frau zu streiten.
    Bismarck bog in den Park ein und ignorierte überheblich einen frisch ondulierten Pudel, der nach wohlverrichteten Geschäften mit seinem Herrchen auf dem Rückweg war.
    Ich muss mich mal in den nächsten Tagen mit Erich unterhalten, dachte Van Veeteren und fand das Päckchen West in der Jackentasche. Es ist höchste Zeit.
    Er zündete sich eine Zigarette an und musste sich eingestehen, dass er diesen Gedanken schon seit mehr als einem Jahr hegte. In regelmäßigen Abständen.
    Er frühstückte zusammen mit seiner Frau. Keiner von beiden sprach auch nur ein Wort, obwohl sie gut und gern eine halbe Stunde am Küchentisch saßen und Zeitung lasen.
    Vielleicht sollte ich mich demnächst auch mal mit Renate unterhalten, stellte er fest, als er die Haustür hinter sich zuschlug. Das wäre ebenfalls an der Zeit.
    Oder hatten sie bereits alle Worte aufgebraucht?
    Das war nicht so einfach zu sagen. Sie waren fünfzehn Jahre lang verheiratet gewesen, hatten sich scheiden lassen, ohne dass es ihnen zwei Jahre lang gelungen wäre, auseinander zu ziehen, und hatten dann vor sieben Jahren noch einmal geheiratet.
    Vierundzwanzig Jahre, dachte er. Das ist grob gesehen mein halbes Leben.
    Er war auch seit vierundzwanzig Jahren bei der Polizei. Als ob das irgendwie zusammenhinge. Die Hälften meines Lebens, die zusammen ein Ganzes bilden?, kam ihm in den Sinn.
    Ach, Quatsch. Auch wenn man eine halbe Ente und einen halben Adler hat, so bedeutet das noch lange nicht, dass man damit einen Vogel aus einem Guss hat.
    Er sah selbst ein, dass das Bild idiotisch war, und während seines Spaziergangs zur Polizeiwache versuchte er stattdessen auszurechnen, wie oft er im letzten Jahr mit seiner Frau geschlafen hatte.
    Er kam auf drei Mal.
    Wenn man es etwas großzügig berechnete. Das letzte Mal – im April – konnte man wohl nicht unter die Kategorie Lieben einordnen.
    Andererseits auch kaum unter eine andere Kategorie.
    So ist das Leben, dachte er und vermied um Haaresbreite, in die Pfütze von etwas Erbrochenem auf dem Bürgersteig zu treten. Es hätte sicher schlimmer sein können, aber es hätte verdammt noch mal auch deutlich besser sein können.
    Auf dem Weg zu seinem Zimmer im vierten Stock traf er auf Inspektor Münster.
    »Der Kaunis-Fall«, erinnerte er ihn. »Wie läuft’s da so?«
    »Sendepause«, erklärte Münster. »Keines der Verhöre, über die wir gesprochen haben, kann vor nächster Woche stattfinden.«
    »Wieso das?«
    »Einer ist in Japan, und einer soll heute Vormittag operiert werden.«
    »Aber er wird doch überleben?«
    »Der Arzt geht davon aus. Es handelt sich um eine Krampfader.«
    »Ich verstehe«, sagte der Kommissar. »Sonst noch was?«
    »Ich fürchte ja«, antwortete Münster. »Hiller wird sich noch bei dir melden… da ist eine Geschichte in Linden.«
    »In Linden?«
    »Ja. Wenn wir nichts Wichtigeres zu tun haben, und das haben wir ja wohl im Augenblick nicht…«
    »Wir werden sehen«, sagte Van Veeteren. »Du bist in deinem Zimmer, falls ich dich brauche, oder?«
    »Unter einem Stapel von Papieren«, seufzte Münster und ging weiter den Flur entlang.
    Van Veeteren betrat sein Büro und stellte fest, dass es wie in einem Junggesellenhotel roch. Nicht, dass er in so einer Einrichtung je gewohnt hätte, aber er hatte so einige dienstlich aufgesucht.
    Er öffnete das Fenster sperrangelweit und zündete sich eine Zigarette an. Sog den Rauch in die Lunge. Wieder ein Morgen im Leben, dachte er und

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