Sein mit Leib und Seele - Band 07
sterben.
„Nehmen Sie das, Mademoiselle Maugham. Die hat mir Monsieur Delmonte für Sie gegeben.“
Ich erkenne meine Kleidung von gestern, sorgfältig zusammengelegt. Ich schäme mich trotzdem ein wenig, denn ich sehe genau, dass man sie durch nichts täuschen kann.
„Ach, und das hier hätte ich beinah vergessen.“
Sie hält mir mein Handy entgegen. Ich habe nicht mal die Zeit, ein unhörbares „Danke“ zu murmeln, denn die Tür ist schon wieder vor mir verschlossen. Jetzt bin ich allein in diesem kalten, dunklen Flur, mit meinem kleinen Kleiderstapel in der Hand. Lächerlich.
Ich drücke auf den Knopf meines Handys und sehe, dass ich eine SMS bekommen habe.
„Guillaume Bibli“
steht da in Großbuchstaben, und die ersten Wörter der Nachricht:
„Hallo Süße, ich denke an dich, wie …“
Ich gucke, wann die Nachricht eingegangen ist: vor über einer Stunde. Charles muss sie gesehen haben. Ich habe plötzlich Lust zu schreien vor Wut und Verzweiflung. Heftig werfe ich mein Handy gegen die Wand. Mit großem Krach fällt es zu Boden. Scheiße, wie idiotisch von mir, so etwas zu tun! Ich gehe hin, um es aufzuheben: nicht ein Kratzer! Selbst dazu bin ich nicht fähig! Was für eine Null ich doch bin! Ein Stück Plastik kaputt zu machen, bekomme ich nicht hin, aber eine Liebesbeziehung zerbrechen …
3. Wolken über der Stadt
Der folgende Tag ist grau und verregnet. Der Wecker heult, damit ich aufstehe. Mindestens dreimal drücke ich die Snooze-Taste, bevor ich mich davon überzeuge, dass es besser ist, wach zu leben, als vor sich hin zu dämmern. Gestern hatte mich die Sonne deprimiert, weil alle anderen glücklich waren, aber jetzt macht mich der Regen hart und missmutig. Ich will nicht aufstehen, aber die Arbeit wartet.
Ich denke an Charles. An seine Augen, seinen Mund. Ich spiele tausendmal unsere Gespräche durch. Was, wenn die Dinge anders gelaufen wären? Wenn er gesagt hätte, dass er mich liebt, und mir bis ans Ende der Welt folgen würde? Wenn er sich für sein Verhalten wegen Alice entschuldigen würde? Wir wären uns in die Arme gefallen, hätten uns heiß geküsst und sofort nach seiner Entschuldigung geliebt. Gleich hier auf dem Boden. Er, männlich und stark, mit seinen im Dämmerlicht glänzenden Muskeln. Ich, in seinen Armen verloren, wie die Beute angesichts eines Raubtiers, an nichts anderes mehr denkend als an ihn …
Ich lasse mich von meinen Gedanken forttragen und beginne, mich in meine Decke einzurollen. Zuerst sanft, dann immer heftiger. Meine Hände tun das, was Charles tun würde: Sie beginnen, über meinen Körper zu wandern, streicheln meine Arme, meinen Hals, mein Gesicht, dann den Bauch, meine Brüste. Dann fahren sie meine Hüften entlang hinunter zu meinen Schenkeln. Sanft, langsam. Meine Augen halb geschlossen, mit den Gedanken in meinen Träumen. Meine Finger wandern von oben nach unten. Meine Nägel kratzen unendlich vorsichtig über meine Haut. Meine Hände fahren wieder über meine Schenkel, zwischen meine Beine. Mein Körper wird heiß. Ich winde mich mehr und mehr in meiner Decke. Ein Stöhnen entgleitet mir. Meine Finger wandern zurück zwischen meine Beine, ich spüre, dass ich kommen werde … Es beginnt … Ich werde …
Piep! Piep! Piep! Piep! Piep Piep!
Aaah! Verdammter Wecker! 8 Uhr 50! Scheiße! Ich muss um 9 Uhr 30 in der Agentur sein, und die einzige Möglichkeit, dies noch zu schaffen, heißt Teleportation. Ich werfe mich hastig aus dem Bett und zwinge mich, meinen süßen Traum zu Ende zu träumen. So schnell wie möglich renne ich auf meinen 25 Quadratmetern herum, schalte die Kaffeemaschine ein, damit sie warm wird. Zack! Unter die Dusche. Keine Zeit, den trägen Durchlauferhitzer anzuschalten. Eine Eisdusche, das macht wach. Und lässt einen schreien! Ein bisschen Duschgel so flink wie ein Toast im Toaster, schnell abspülen.
Mit einer Gänsehaut von der kalten Dusche renne ich in die Küche – kleine lila Kapsel in die Maschine – und finde mich nackt vor meinem Kleiderschrank wieder. Wie gestern. Nur ist heute keine Zeit für Selbstmitleid. Ohne groß darüber nachzudenken, beschließe ich, heute sexy und begehrenswert zu sein. Wie aus Rache. Nicht, dass ich glaube, heute Charles zu begegnen – er müsste längst zur Biennale in Venedig unterwegs sein oder zu einem Festival im Nirgendwo, jedenfalls weit weg, und das schnell und um zu arbeiten.
Nein, ich will für mich schön sein. Um der Welt zu zeigen, dass Emma Maugham eine
Weitere Kostenlose Bücher