Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
zu der Gräfin Balbi und sagte in untröstlichem
Tone, ohne sich näher zu erklären:
    »Ach, es wäre ein großes Unglück!«
    Der Oberst hob die Augen gen Himmel und bemerkte nach einer
Weile:
    »Männer wie Rougon sind dem Lande unentbehrlich. Der Kaiser
würde einen Fehler begehen.«
    Wieder trat Schweigen ein. Clorinde wollte den Kopf zur Tür des
Vorsaales hineinstecken, aber ein Hausbeamter schloß sie ihr vor
der Nase zu. Sie kehrte also zu ihrer Mutter zurück, die mit ihrem
schwarzen Schleier schweigend dastand, und murmelte:
    »Das Warten ist gräßlich!«
    Soldaten kamen, und der Oberst meldete, daß die Sitzung
geschlossen sei. Wirklich erschienen die Charbonnels oben auf der
Treppe und stiegen vorsichtig, eins nachdem andern, sich an das
Geländer haltend, hinab. Als Herr Charbonnel den Obersten
erblickte, rief er ihm zu:
    »Er hat nicht viel gesprochen, aber er hat ihnen schön den Mund
gestopft!«
    »Er hatte heute keine Gelegenheit,« sagte der Oberst dem andern
ins Ohr; »sonst sollten sie ihn hören! Er muß. erst warm
werden!«
    Inzwischen hatten die Soldaten von dem
Sitzungssaale bis zur Galerie der Präsidentschaft eine doppelte
Kette gebildet. Unter Trommelwirbel erschien der Zug. Voran zwei
Hausbeamte, schwarz gekleidet, den Klapphut unter dem Arm, die
Kette um den Hals, den Degen mit Stahlknauf an der Seite. Dann der
Präsident, von zwei Offizieren geleitet, die Sekretäre und der
Generalsekretär des Präsidiums. Als der Präsident an der schönen
Clorinde vorbeikam, lächelte er ihr trotz des feierlichen Aufzuges
weltmännisch zu, und Herr Kahn, der eben eilig herankam, sagte:
    »Ah, da sind Sie!«
    Obgleich der Vorsaal damals dem Publikum unzugänglich war, ließ
er doch alle hinein und führte sie in die Nische einer der hohen
Fenster, die auf den Garten gehen. Er schien wütend und sagte:
    »Ich habe ihn wieder verfehlt! Er hat sich durch die Burgunder
Straße davongeschlichen, während ich ihn im Saale des Generals Foy
erwartete. Tut nichts, wir werden. doch Nachrichten bekommen. Ich
habe Béjuin dem Delestang auf den Hals geschickt.«
    Man wartete wieder gute zehn Minuten. Die Abgeordneten traten
mit gleichgültigen Gesichtern zwischen den grünen Vorhängen hervor,
welche die Türen verhüllten. Einige blieben stehen und zündeten
sich Zigarren an; andere plauderten und lachten in kleinen Gruppen,
Händedrücke tauschend. Frau Courreur hatte sich inzwischen zu der
Laokoongruppe begeben und betrachtete sie; die Charbonnels reckten
sich den Hals aus, um eine Möwe zu betrachten, welche die
spießbürgerliche Einbildungskraft des Malers auf den Rand einer
Freske gesetzt hatte, als sei sie vom Gemälde dahin geflogen; und
die schöne Clorinde stand vor der großen Minerva aus Bronze, die
Arme und die Brust der Riesengöttin aufmerksam in Augenschein
nehmend. In der Fensternische sprachen
Oberst Jobelin und Herr Kahn eifrig leise miteinander.
    »Ah, da ist Béjuin«, rief letzterer.
    Alle näherten sich mit gespanntem Gesichtsausdruck Herrn Béjuin,
der tief atmete, und fragten:
    »Nun, was gibt's?«
    »Nun, die Entlassung ist angenommen, Rougon tritt zurück.«
    Das wirkte wie ein Keulenschlag. Eine bedrückende Stille trat
ein. Da erblickte Clorinde, die nervös an, ihrem Schal knüpfte, um
ihre zitternden Finger zu beschäftigen, die hübsche Frau Bouchard,
die im Hintergrunde des Gartens langsam am Arme des Herrn
d'Escorailles dahinschritt, den Kopf leicht an seine Schulter
gelehnt. Sie waren von den übrigen durch eine geöffnete Seitentür
herabgestiegen und führten ihre Zärtlichkeit unter dem sprießenden
Grün dieser ernstem Nachdenken geweihten Baumgänge spazieren.
Clorinde winkte sie heran.
    »Der große Mann zieht sich zurück«, sagte sie zu der lächelnden
jungen Frau.
    Frau Bouchard ließ plötzlich den Arm ihres Ritters los. Sie sah
ganz bleich und betroffen aus, während Herr Kahn inmitten der
bestürzten Gruppe der Freunde Rougons verzweifelt die Arme zum
Himmel streckte, ohne ein Wort zu finden.

Kapitel 2
     
    Am Morgen war im »Moniteur« die Entlassung Rougons
veröffentlicht, der sich »aus Gesundheitsrücksichten« zurückzog. Er
war nach dem Frühstück in den Staatsrat gekommen, um bis zum Abend
seinem Nachfolger den Platz zu räumen. In dem großen mit Rot und
Gold verzierten Präsidentenzimmer saß er vor dem riesigen
Palisanderschreibtisch, leerte die Schubläden, ordnete die Papiere
und band sie mit roten Fäden in Päckchen.
    Dann klingelte er. Ein

Weitere Kostenlose Bücher