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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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jungen Wolfes
erinnerten. Solange sie zusammen arbeiteten, war sein
Hauptaugenmerk darauf gerichtet, jenem nicht das geringste in
Händen zu lassen, was ihn selbst bloßstellen könne. Als er
bemerkte, daß jener die unverbrannt gebliebenen Worte zu lesen
versuchte, warf er eine neue Handvoll brennender Briefe in
die Schale. Du Poizat begriff vollkommen,
aber er lächelte nur und scherzte:
    »Das ist das große Aufräumen!«
    Eine Papierschere ergreifend, benutzte er sie wie eine kleine
Zange. Er zündete die erlöschenden Briefe an der Kerze von neuem
an, ließ zu stark zusammengedrückte Papierballen in freier Luft
verbrennen und schüttelte die lodernden Trümmer wie den flammenden
Rum einer Punschbowle. In der Schale jagten Funken umher, während
ein bläulicher Rauch aufstieg und langsam dem offenen Fenster
zuwallte. Die Kerze flackerte ein wenig, dann brannte sie wieder
mit gerader, sehr hoher Flamme.
    »Ihre Kerze brennt wie ein Totenlicht«, fuhr Du Poizat scherzend
fort. »Was für ein Begräbnis, mein armer Freund! Wie viele Tote hat
man in die Asche zu betten!«
    Rougon wollte antworten, als sich im Vorzimmer neuer Lärm erhob.
Merle verwehrte wieder den Eintritt; als der Wortwechsel lauter
wurde, bat Rougon:
    »Delestang, haben Sie doch die Güte nachzusehen, was da vorgeht!
Wenn ich mich zeige, wird man auf uns Sturm laufen.«
    Delestang schritt vorsichtig durch die Tür, die er hinter sich
schloß. Aber fast augenblicklich sah er wieder herein und
meldete:
    »Kahn ist da!«
    »Lassen Sie ihn herein«, sagte Rougon. »Aber nur ihn, hören
Sie?«
    Dann rief er Merle, um ihm seinen Auf trag zu wiederholen.
    »Ich bitte um Verzeihung, lieber Freund«, wandte er sich an
Kahn, als Merle gegangen war. »Aber ich bin so beschäftigt… Bitte,
setzen Sie sich neben Herrn Du Poizat und rühren Sie sich nicht,
sonst muß ich Sie beide hinauswerfen!«
    Der Abgeordnete schien über diesen wenig
höflichen Empfang nicht im mindesten betroffen; er war an Rougons
Eigenheiten gewöhnt. Er nahm also einen Sessel, setzte sich neben
Du Poizat, der sich die zweite Zigarre anzündete. Nachdem er
einigemal Atem geholt, bemerkte er:
    »Es wird schon warm … Ich komme aus der Marbeufstraße; ich
glaubte, Sie noch zu Hause zu treffen.«
    Rougon antwortete nicht, sondern knüllte schweigend die Papiere
zusammen und warf sie in einen Korb, den er dicht zu sich
herangezogen hatte.
    »Ich habe mit Ihnen zu reden«, fuhr Herr Kahn fort.
    »Reden Sie, reden Sie!« versetzte Rougon. »Ich höre.«
    Aber der Abgeordnete schien erst jetzt die Unordnung zu
bemerken, die im Zimmer herrschte, und fragte mit gutgespielter
Überraschung:
    »Was haben Sie denn vor? Wollen Sie ein anderes Zimmer
beziehen?«
    Die Stimme klang so aufrichtig, daß Delestang sich die Mühe gab,
Herrn Kahn den Moniteur vor die Augen zu halten.
    »Mein Gott!« rief Kahn, nachdem er einen Blick darauf geworfen,
ich glaubte die Sache seit gestern abend geregelt! Das ist ja ein
wahrer Donnerschlag… Mein lieber Freund … «
    Er war aufgestanden und reichte Rougon die Hände. Dieser blickte
ihn schweigend an, in seinem groben Gesichte zogen sich zwei tiefe,
spöttische Falten von den Mundwinkeln herab. Da er sah, daß Du
Poizat ein gleichgültiges Gesicht aufsteckte, tauchte in ihm der
Verdacht auf, die beiden hätten sich schon am Morgen getroffen, um
so mehr, als Herr Kahn versäumt hatte, beim Anblick des
Unterpräfekten seine Überraschung zu zeigen. Der eine mußte in den
Staatsrat gekommen sein, während der andere in die Marbeufstraße lief. Auf diese Art mußten sie ihn
sicher treffen. Doch sagte er nur ruhig:
    »Also Sie haben mir etwas mitzuteilen?«
    »Reden wir nicht davon, lieber Freund!« rief der Abgeordnete.
»Sie haben genug Sorgen. Ich werde Sie an einem solchen Tage doch
gewiß nicht mit meinen Angelegenheiten belästigen!«
    »Bitte, tun Sie sich keinen Zwang an, reden Sie immerhin!«
    »Nun denn, wegen meiner Angelegenheit, Sie wissen, dieser
verdammten Konzession… Gut, daß Du Poizat da ist, er kann uns
sichere Auskunft geben.«
    Darauf begann er ausführlich über den Stand seiner Angelegenheit
zu berichten. Es handelte sich um eine Bahn von Niort nach Angers,
deren Bau er seit drei Jahren betrieb. Die Wahrheit war, daß sie
Bressuire berühren sollte, wodurch der Wert der Hochöfen, die er
dort besaß, sich verzehnfachen mußte; bis dahin hatte sich das
Unternehmen wegen der beschwerlichen Frachten nur mühsam
aufrechterhalten können.

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