Seine Exzellenz Eugène Rougon
kaiserlichen Staatsanwalt in
Ausdrücken der wärmsten Anerkennung über eine jüngst von ihm
gehaltene Anklagerede in einer Ehebruchssache; er erkundigte sich
beim Steuerdirektor mit bewegter Stimme nach dessen Frau, die seit
zwei Monaten das Bett hüten mußte; er hielt den Oberst der
Achtundsiebziger einen Augenblick fest, um ihm zu zeigen, daß ihm
die erfolgreichen Studien seines Sohnes zu Saint-Cyr keineswegs
unbekannt seien; er redete über Fußbekleidung mit einem
Gemeinderat, der große Schuhwerkstätten besaß, und begann mit dem
Grundbuchführer, einem leidenschaftlichen Archäologen, eine
Unterhaltung über den in der letzten Woche aufgefundenen
Druidenstein. Blieb er einmal stecken, dann kam Du Poizat ihm mit
einem geschickt eingeworfenen Worte zu Hilfe. Übrigens bewahrte er
eine vorzügliche Haltung.
Als der Präsident des Handelsgerichtes mit einer Verbeugung
eintrat, rief er ihm leutselig entgegen:
»Sie kommen allein, Herr Präsident? Ich hoffe aber, Sie werden
heute abend zum Festessen Ihre Frau Gemahlin mitbringen …
«
Als er die verblüfften Gesichter um sich her sah, hielt er inne.
Du Poizat stieß ihn leicht an. Da erinnerte er sich, daß der
Präsident des Handelsgerichtes infolge gewisser Vorfälle von seiner
Frau getrennt lebe. Er hatte sich geirrt, er hatte mit dem
Präsidenten des Zivilgerichtes zu reden geglaubt. Das aber brachte
ihn nicht im mindesten aus der Fassung. Noch immer lächelnd, ohne
sein Versehen zu beachten, fuhr er mit schlauer Miene fort:
»Ich habe eine gute Nachricht für Sie, mein Herr. Ich weiß, daß
mein Kollege, der Justizminister, Sie zu einer Auszeichnung vorgeschlagen hat … Es ist eine
Indiskretion von mir, hüten Sie also das Geheimnis.«
Der Präsident des Handelsgerichtes wurde sehr rot. Er erstickte
fast vor Freude. Man umdrängte und beglückwünschte ihn, während
Rougon dieses Kreuz, das er mit so vieler Geistesgegenwart
verliehen, seinem Gedächtnisse einprägte, damit er nicht vergesse,
seinen Kollegen daran zu erinnern. Er zeichnete den betrogenen
Ehemann aus. Du Poizat konnte ein Lächeln der Bewunderung nicht
unterdrücken.
Inzwischen hatten sich etwa fünfzig Personen in dem großen Saale
versammelt. Man wartete noch immer, schweigend und verlegen.
»Es wird Zeit, wir können aufbrechen«, murmelte der
Minister.
Aber der Präfekt flüsterte ihm zu, der Abgeordnete, der
vormalige Gegner des Herrn Kahn, sei noch nicht zur Stelle. Endlich
kam auch er, in Schweiß gebadet; seine Uhr mußte stehengeblieben
sein, er konnte es gar nicht begreifen. Dann begann er, um alle
über seinen Besuch vom Abend zuvor in Kenntnis zu setzen:
»Wie ich gestern Eurer Exzellenz gesagt habe … «
Damit trat er zu Rougon und teilte ihm mit, daß er am nächsten
Morgen nach Paris zurückkehren werde. Die Osterferien seien schon
am Dienstag abgelaufen, die Session sei wieder eröffnet, er habe
jedoch geglaubt, noch einige Tage in Niort bleiben zu sollen, um
Seine Exzellenz im Namen des Kreises zu begrüßen.«
Alle Geladenen waren inzwischen in den Hof der Präfektur
hinabgestiegen, wo etwa zehn Wagen zu beiden Seiten der Freitreppe;
sie erwarteten. Der Minister bestieg mit dem Abgeordneten, dem
Präfekten und dem Bürgermeister eine Kalesche, die den Zug
eröffnete. Die übrigen folgten möglichst genau nach der Rangordnung in zwei andern Kaleschen,
drei Landauern und zwei Jagdwagen zu sechs und acht Plätzen. In der
Präfekturstraße ordnete sich der Zug und fuhr dann in kurzem Trabe
ab. Die Bänder der Damen flatterten, während ihre Röcke über den
Schlag hinausquollen. Die schwarzen Hüte der Herren glänzten in der
Sonne. Man mußte eine ganze Strecke durch die Stadt fahren. In den
engen Straßen wurden die Wagen auf den spitzen Pflastersteinen so
derb geschüttelt, daß sie unter dem lauten Getöse ihrer
Eisenbeschläge dahinrollten. Aus allen Fenstern, aus allen Türen
grüßten die Bewohner von Niort stumm und suchten Seine Exzellenz,
sehr erstaunt, den Minister im bürgerlichen Überrock neben der
goldgestickten Uniform des Präfekten zu sehen.
Nachdem man die Stadt verlassen, rollten die Wagen auf einem
breiten, mit prächtigen Bäumen bepflanzten Wege dahin. Das Wetter
war sehr mild, ein schöner Apriltag und blauer, sonnenheller
Himmel. Die Straße, gerade und glatt, lief zwischen Gärten hin, in
denen Flieder und Aprikosen blühten. Darauf dehnte sich weit das
offene Feld aus, nur hier und da von einer Baumgruppe unterbrochen.
In den Wagen
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