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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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wurde geplaudert.
    »Das ist eine Spinnerei, nicht wahr?« sagte Rougon, nachdem der
Präfekt ihm etwas zugeflüstert hatte.
    Darauf wandte er sich zum Bürgermeister und zeigte auf das rote
Ziegelgebäude am Rande des Wassers:
    »Das ist Ihre Spinnerei, wenn ich nicht irre. Man hat mir von
Ihrem neuen System, Wolle zu kämmen, berichtet. Ich werde trachten,
einen Augenblick für alle diese Wunder zu erübrigen.«
    Dann erkundigte er sich nach der Triebkraft des Flusses. Nach
seiner Ansicht boten durch Wasser getriebene Motoren unter
günstigen Verhältnissen riesige Vorteile. Dabei setzte er den Bürgermeister durch seine technischen
Kenntnisse in Erstaunen. Die übrigen Wagen folgten in ungleichen
Zwischenräumen. Bei dem eintönigen Trabe der Pferde wurden
Gespräche geführt, die vor Zahlen starrten. Da erscholl ein
perlendes Lachen, wonach sich alle Köpfe umwandten; es war die Frau
des Gymnasialdirektors, deren Schirm auf einen Kieselhaufen
gefallen war.
    »Sie haben hier ein Gut«, wandte sich Rougon zu dem
Abgeordneten. »An diesem Abhang, wenn ich nicht irre …
Prächtige Wiesen! Ich weiß übrigens, daß Sie sich mit Viehzucht
beschäftigen, und daß Ihre Kühe auf der letzten
landwirtschaftlichen Ausstellung preisgekrönt wurden.«
    Darauf redeten sie über Vieh. Die Wiesen glänzten in der Sonne
wie grüner Samt, reich gestickt mit Blumen in allen Farben. Hohe
Pappelreihen gestatteten Ausblicke in die Ferne, auf wunderhübsche
Landschaftsbilder. Eine alte Frau, die einen Esel trieb, mußte das
Tier am Rande des Weges anhalten, bis der Zug vorüber war. Der
Esel, erschrocken über die Menge Wagen, deren lackierte Wände in
der Sonne schimmerten, fing an zu schreien. Indessen bewahrten
sowohl die geputzten Damen wie die behandschuhten Herren ihren
Ernst.
    Zur Linken ging es eine kleine Erhöhung hinauf, dann wieder
hinab. Man war am Ziele. Es war eine Senkung, eine Art Sackgasse,
von drei Abhängen eingeschlossen, die den Weg versperrten. Von der
Umgebung sah man, wenn man emporblickte, hier nur die Trümmer
zweier Mühlen, die sich scharf gegen den Himmel abhoben. Da unten
war inmitten eines viereckigen Grasplatzes ein Zelt aus grauer
Leinwand mit breitem, rotem Rande errichtet und an den vier Ecken
mit Fahnen geschmückt. Etwa tausend Neugierige waren zu Fuß
gekommen und standen, Bürger, Damen und Bauern, zur Rechten im
Schatten des einen Hügels. Vor dem Zelte
stand eine Abteilung des achtundsiebzigsten Linienregimentes unter
den Waffen, gegenüber die Feuerwehr von Niort, deren gute Haltung
sehr auffiel, während am Rande des Grasplatzes eine Arbeiterschar
in neuen Blusen wartete, an ihrer Spitze die in ihre Überröcke
gehüllten Ingenieure. Sobald die Wagen sichtbar wurden, begann die
philharmonische Gesellschaft, ein Verein von. Liebhabermusikanten,
die Ouvertüre zur »Weißen Dame«.
    »Seine Exzellenz lebe hoch!« riefen einige Stimmen, die jedoch
durch die Instrumente übertönt wurden.
    Rougon stieg aus. Er erhob die Blicke und sah sich in dem Loche
um, auf dessen Grunde er stand, ärgerlich über die Beengtheit des
Horizonts, die ihm die Feierlichkeit zu beeinträchtigen schien.
Einen Augenblick blieb er im Grase stehen und erwartete ein Wort
des Willkommens. Du Poizat hatte die Präfektur sofort nach dem
Frühstück verlassen und vorsichtshalber die Sprengmine untersucht,
an die Seine Exzellenz Feuer legen sollte. Er führte den Minister
zum Zelte; die Gäste folgten, anfangs in einiger Unordnung. Rougon
bat um nähere Auskunft.
    »Also in diesem Einschnitte wird der Tunnel münden?«
    »Allerdings«, versetzte Herr Kahn. »Das erste Sprengloch ist in
den rötlichen Felsen gebohrt, da, wo Eure Exzellenz die Fahne
sehen.«
    An dem Hügel im Hintergründe, den die Hacke schon angegriffen
hatte, war der nackte Felsen sichtbar. Entwurzelte Büsche hingen
zwischen den fortgeräumten Erdmassen. Der Boden des Einschnittes
war mit Zweigen bedeckt. Herr Kahn wies auf eine doppelte Reihe
Pfähle, welche die Bahnlinie bezeichneten und mit ihren, mit weißen
Papierschnitzeln umwickelten Spitzen die Pfade, das Gras und
Gebüsch durchschnitten. Es war ein friedlicher Erdenwinkel, der
ausgeweidet werden sollte.
    Inzwischen hatten die Behörden sich unter
dem Zelte aufgestellt. Die Neugierigen beugten sich vor, um
zwischen den Leinwandstreifen hindurchzugehen. Die philharmonische
Gesellschaft beendete eben die Ouvertüre der »Weißen Dame«.
    »Herr Minister,« durchbrach da plötzlich eine schrille

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