Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
er sich mit
Politik. Aber wir haben im Kreise schon vier Verhaftungen
vorgenommen. Ich möchte, um die vorgeschriebene Zahl von fünf voll
zu machen, lieber einen Lehrer der Quarta einstecken, der seinen
Schülern revolutionäre Bücher vorliest.«
    »Ich habe sehr belastende Tatsachen in Erfahrung gebracht«,
sagte Rougon streng. »Die Tränen seiner Schwester können diesen
Martineau nicht retten, wenn er wirklich so gefährlich ist. Es
handelt sich um die öffentliche Wohlfahrt.«
    Er wandte sich an Gilquin und fragte:
    »Was gedenken Sie zu tun?«
    »Ich werde morgen zur Verhaftung schreiten«, erwiderte dieser.
»Ich kenne die ganze Geschichte. Ich habe Frau Correur in der
›Stadt Paris‹ gesehen, wo ich gewöhnlich esse.«
    Du Poizat wandte nichts dagegen ein. Er zog ein kleines
Taschenbuch, strich darin einen Namen aus und schrieb einen andern dafür hin, indem er dem Polizeikommissar
zugleich empfahl, den Lehrer der Quarta auf jeden Fall zu
überwachen. Rougon begleitete Gilquin bis zur Tür und sagte
noch:
    »Dieser Martineau ist etwas leidend. Gehen Sie persönlich nach
Goulonges und handeln Sie so schonend wie möglich.«
    Aber Gilquin richtete sich mit verletzter Miene auf. Er setzte
alle Achtung vor der Exzellenz beiseite, duzte sie sogar und
rief:
    »Hältst du mich denn für einen gemeinen Spion? Laß dir von Du
Poizat die Geschichte von dem Apotheker erzählen, den ich
vorgestern im Bette verhaftet habe. Bei ihm lag die Frau eines
Gerichtsvollziehers. Niemand hat etwas erfahren … Ich handle
stets als Mann von Welt.«
    Rougon lag neun Stunden in tiefem Schlafe. Als er gegen halb
neun Uhr erwachte, ließ er Du Poizat rufen, der mit sehr vergnügter
Miene kam, die Zigarre im Munde. Sie plauderten und scherzten wie
einst, als sie noch bei Frau Gorreur wohnten und sich morgens durch
Klapse auf die nackten Schenkel zu wecken pflegten. Beim Waschen
fragte der Minister den Präfekten mancherlei über das Land, die
Beamten, die Bedürfnisse der einen und die Ansprüche der anderen.
Er wollte für jeden ein freundliches Wort finden.
    »Keine Furcht, ich werde Ihnen schon vorsagen!« versicherte Du
Poizat lachend.
    Darauf unterrichtete er ihn kurz über Persönlichkeiten, mit
denen er in Berührung kommen werde. Rougon ließ ihn zuweilen eine
Sache wiederholen, um sie seinem Gedächtnisse besser einzuprägen.
Um zehn Uhr kam Herr Kahn. Sie frühstückten zu Dreien und setzten
dabei die letzten Einzelheiten der Feierlichkeit fest. Der Präfekt
hatte eine Rede zu halten, Herr Kahn
ebenfalls. Rougon würde zuletzt reden. Aber es würde besser sein,
noch eine vierte Rede folgen zu lassen. Einen Augenblick dachte man
an den Bürgermeister, doch Du Poizat fand ihn zu dumm und empfahl
den staatlichen Bauingenieur, der natürlich dazu berufen war,
dessen kritischen Blick jedoch Herr Kahn fürchtete. Als sie sich
endlich erhoben, nahm er den Minister beiseite, um ihm die Punkte
anzudeuten, die er in seiner Rede betont sehen möchte.
    Um halb elf Uhr wollte man sich in der Präfektur versammeln. Der
Bürgermeister und sein erster Beamter fanden sich zugleich ein,
ersterer stotterte und war trostlos, daß er sich am Abend zuvor
nicht in Niort befunden habe, während letzterer sich bei Seiner
Exzellenz höflichst erkundigte, ob sie eine gute Nacht gehabt und
sich erholt habe. Darauf erschienen der Gerichtspräsident, der
Staatsanwalt und seine beiden Beamten, der Leiter des
Staatsbauamtes, denen der Obersteuereinnehmer, der Direktor der
direkten Steuern und der Vorstand des Grundbuchamtes folgten,
mehrere der Herren mit ihren Damen. Die Frau des
Gymnasialdirektors, die niedliche Blonde, brachte in ihrer
himmelblauen, sehr pikanten Toilette eine große Bewegung hervor;
sie bat Seine Exzellenz, ihren Gatten zu entschuldigen, der sich
abends zuvor bei der Heimkehr einen Gichtanfall zugezogen habe und
deshalb nicht kommen könne. Inzwischen fanden sich die übrigen ein:
der Oberst des achtundsiebzigsten Linienregiments, das in Niort
lag, der Präsident des Handelsgerichtes, die beiden Friedensrichter
der Stadt, der Forstinspektor mit seinen drei Töchtern,
Gemeinderäte, Abgeordnete der Handels- und Gewerbekammer, der
statistischen Gesellschaft und des Schiedsrichteramtes.
    Der Empfang fand im großen Saale der Präfektur
statt. Du Poizat besorgte die
Vorstellungen, und der Minister begrüßte mit höflicher Verbeugung
jedermann als alten Bekannten. Er war über alle erstaunlich gut
unterrichtet. Er sprach mit dem

Weitere Kostenlose Bücher