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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Die Arbeiterschar in neuen Blusen hatte
Befehl erhalten und ging dem Minister und Herrn Kahn voran in den
Einschnitt hinein, wo sie sich in zwei Reihen aufstellten. Ein
Werkführer hielt eine brennende Zündschnur, die er Rougon
überreichte. Die im Zelte zurückgebliebenen Vertreter der Behörden
reckten die Hälse. Die Zuschauer standen in angstvoller Erwartung.
Die philharmonische Gesellschaft spielte noch immer.
    »Wird es großen Lärm machen?« fragte die Frau des
Gymnasialdirektors einen der beiden Staatsanwaltsbeamten mit
unruhigem Lächeln.
    »Je nach der Art des Gesteines«, beeilte sich der Präsident des
Handelsgerichtes zu erwidern, worauf er sich in mineralogische
Erläuterungen einließ.
    »Ich werde mir die Ohren verstopfen«, murmelte die älteste
Tochter des Forstrates.
    Rougon kam sich mit der brennenden Zündschnur in der Hand
inmitten all dieser Menschen lächerlich vor. Oben auf dem Rande der
Hügel knackten die Mühlengerippe lauter als je. Er legte eilends
Feuer an die Lunte, deren Ende ihm der Werkführer zwischen zwei
Steinen wies. Gleich darauf ließ ein Arbeiter einen langen
Trompetenstoß ertönen, und die Arbeiterschar trat zurück. Herr Kahn
hatte Seine Exzellenz schleunigst unter das Zelt zurückgeführt,
wobei er eine besorgte Unruhe an den Tag legte.
    »Nun, geht es noch nicht los?« stammelte der Vorstand des
Grundbuchamtes, der vor Angst mit den Augen zwinkerte und sich am liebsten die Ohren zugehalten hätte wie
die Damen.
    Der Schuß krachte erst nach zwei Minuten. Man hatte
vorsichtigerweise eine sehr lange Lunte gelegt. Die Spannung der
Zuschauer steigerte sich allmählich zur Angst; alle hefteten die
Augen auf den roten Felsen und bildeten sich ein, ihn schwanken zu
sehen; nervöse Leute sagten, es zucke ihnen durch die Brust.
Endlich gab es einen dumpfen Krach, der Fels spaltete sich, und
Bruchstücke wie zwei Fäuste groß, wurden in dem Rauch
emporgeschleudert. Darauf ging alle Welt heim, und hundertmal
vernahm man die Frage:
    »Riechen Sie das Pulver?«
    Am Abend gab der Präfekt ein Festmahl, an dem die Behörden
teilnahmen. Für den folgenden Ball hatte er fünfhundert Einladungen
verschickt. Der Ball war glänzend. Der große Saal war mit Grün
geschmückt, und in den Ecken waren noch vier kleine Kronleuchter
angebracht, deren Kerzen im Verein mit denen des großen Leuchters
sehr helles Licht spendeten. Niort konnte sich eines solchen
Glanzes nicht erinnern. Die Strahlen, die durch die sechs Fenster
fielen, erleuchteten den ganzen Präfekturplatz, auf dem sich über
zweitausend Neugierige drängten, die Augen aufwärts gerichtet, um
die Tänze zu sehen. Selbst die Musik hörte man draußen so deutlich,
daß die Gassenjungen auf der Straße Galopp tanzten. Seit neun Uhr
fächelten sich die Damen, Erfrischungen wurden herumgereicht, und
Quadrillen folgten den Polkas und Walzern. An der Tür empfing Du
Poizat sehr feierlich die Spätkommenden mit einem Lächeln.
    »Exzellenz tanzen nicht?« fragte kühn die Frau des
Gymnasialdirektors, die eben in einem mit Goldsternen besäten
Tarlatankleide eintrat. Rougon
entschuldigte sich lächelnd. Er stand an einem Fenster inmitten
einer Gruppe. Während er sich mit seiner Umgebung über eine
Revision des Katasters unterhielt, blickte er häufig hinaus. Auf
der andern Seite des Platzes hatte er eben in dem Scheine der
Kerzen in einem Fenster des Gasthauses »Zur Stadt Paris« Frau
Correur und Fräulein Herminie Billecoq bemerkt. Sie lagen dort
aufgestützt wie auf eine Logenbrüstung mit glänzenden Gesichtern
und nackten Hälsen, von Zeit zu Zeit, wenn es in dem Tanzsaale hoch
herging, nach Herzenslust kichernd.
    Inzwischen hatte die Direktorsgattin ihren Rundgang durch den
Saal vollendet, zerstreut, unempfänglich für die Bewunderung, die
der Umfang ihres langen Rockes unter den ganz jungen Leuten
erregte. Sie suchte jemanden mit schmachtenden Blicken, wobei sie
jedoch immer lächelte.
    »Der Herr Polizeikommissar ist nicht gekommen?« fragte sie
endlich Du Poizat, der sich nach der Gesundheit ihres Gatten
erkundigte. Ich habe ihm einen Walzer versprochen.«
    »Er müßte hier sein«, versetzte der Präfekt; »auch ich bin
überrascht, ihn nicht zu sehen … Er hat heute einen Auftrag
auszuführen gehabt, doch hat er versprochen, um sechs Uhr zurück zu
sein.«
    Um Mittag nach dem Frühstück hatte Gilquin zu Pferde Niort
verlassen, um den Notar Martineau zu verhaften. Coulonges war fünf
Meilen entfernt. Er hoffte, in zwei

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